Vom Nutzer, zum kreativen Zweiprozenter

Die Geschichte einer Wandlung

           Fünf Worte! Fünf Worte eines Textes, danach soll Konzentrationsfähigkeit eines Textlesers bereits soweit nachgelassen haben, das er das Interesse am Lesen eines Textes möglicherweise bereits wieder verliert. Das bedeutet im Rückschluss, dass die ersten fünf Worte eines Textes darüber entscheiden, ob der Text bis zu seinem Ende gelesen wird oder nicht. Ich mag mich dieser Einschätzung nicht anschließen und im Grunde ist es mir auch egal, ob meine Texte mit Interesse gelesen werden oder nicht. Sie wurden mit Interesse geschrieben und das  reicht mir. Findet mein Text einen Leser, der seinen Inhalt zu würdigen weiß, ist dies als Gewinn zuzuordnen, der bereits über einen, mit dem Schreiben des Textes verbundenen Sinn hinausgeht. Von den Lesern, die die Grundlage der "Fünf Worte Theorie" bilden, habe ich mich wohl schon vor 110 Worten verabschiedet. Allen die dabei geblieben sind, wünsche ich eine hoffentlich nachdenklich stimmende, möglicherweise auch inspirierende Zeit.
 
"Wer Eisen in den Armen haben  will, muss Eisen in die Hand nehmen!"

Arnold Schwarzenegger


    Im Rückblick auf die Lebensspanne die hinter mir liegt, komme ich zu dem Schluss, das meine langjährige Vorliebe für das Element Holz ihre Wurzel in der Tatsache findet, dass meine kindlichen Fantasiewelten in erster Linie auf der Basis von Holzklötzen Gestalt annahmen und ich im Rahmen der Permanent schwachen Finanzdecke meiner Familie niemals in den Genuss eines Metallbaukastens kam.
    Einer meiner Spielkameraden besaß einen solchen und ich kann mich gut daran erinnern, dass ich ihm gegenüber in Bezug auf seinen Metallbaukasten nie so etwas wie Neid empfand. Ich mochte weder die harzig ölige Oberfläche des Materials, noch die mitunter scharfen Kanten der gestanzten Teile und schon gar nicht den metallischen Geruch, der von den einzelnen Teilen ausging und mir seltsamerweise bis in die Gegenwart hinein mehr als ein metallischer Geschmack auf der Zunge und weniger als Geruch in der Nase in Erinnerung blieb.
Die anspruchsvollen Kunststoffbausätze von Fischer, die einem, sich entwickelnden jungen Menschen ein erstes Gefühl für technische Zusammenhänge vermitteln sollten, waren zum  Zeitpunkt meiner frühen Jugend noch nicht erfunden und so, blieb es für mich beim Holz.
Nnn
    Ich entwickelte bereits in den frühen Jahren meiner Jugend eine besondere Vorliebe gegenüber der organischen Struktur und der Wärme, die dieses Material bei seiner Bearbeitung und dem damit einhergehenden Prozess des Begreifens ausstrahlte. Da ich von meiner späteren beruflichen Ausrichtung her aus dem Bauhandwerk komme, hatte ich in der Folge immer wieder mit dem Baustoff Holz zu tun. Es stellte zwar nie das zentrale Arbeitsmaterial meines Berufes dar, doch begegnete es mir in den verschiedenen Bereichen meiner Tätigkeiten immer wieder und ich arbeitete gerne mit Holz.
    Hätte man mich also in der Vergangenheit gefragt, für was für einen Typen ich mich halte, hätte ich ohne zu Zögern geantwortet, das ich denke ein Holzmann zu sein.
    Was genau später dazu führen sollte, das sich meine Struktur allmählich in Richtung Metall veränderte, vermag ich nicht zu sagen. Möglicherweise lag es daran, das der Werkstoff Holz als Vollmaterial im Laufe der Zeit aus meinem gesellschaftlichen Lebensumfeld verschwand und mehr und mehr durch Holz ähnliche Verbundstoffe oder schlimmer noch durch Kunststoffe ersetzt wurde.
    Möglicherweise lag es auch daran, dass ich mich parallel zum Verschwinden des Holzes zunehmend mit technischen Errungenschaften konfrontiert sah, deren funktionell automatisierten Eingriffe in mein Leben mich in gewisser Weise in Abhängigkeiten drängte, die in mir damals wie heute, die instinktive Haltung eines grundsätzlichen Misstrauens erzeugten, gerade weil ich die Summe dieser technischen Entwicklungen in ihrer Konstruktion und damit in ihrem tieferen Wesen nicht nachvollziehbar verstehe und sie damit im doppelten Sinne weder auf der körperlichen noch auf der geistigen Ebene begreifen kann.
    Auch wenn ich nicht in der Lage bin, genau zu sagen, wann und wie diese Veränderung in Gang kam, bemerkte ich doch, dass mir mein Gespür für das Wesen des Holzes zunehmend verloren ging und lange Zeit wurde der Platz, den das Holz in meiner eigenen Struktur eingenommen hatte, von mir nicht mit etwas Neuem besetzt.  
    Statt wie in der Vergangenheit die Gegenständlichkeit der Dinge, die mich umgaben, mit meinen Händen zu begreifen, verlagerte sich der Kern meines Interesses in eine gänzlich andere Richtung. Eine Richtung, in der es mir vor allem darum ging, das Wesen der Gegenständlichkeit über den Kopf zu verstehen.
    So eröffnete ich mir eine Form des theoretischen Denkens, die kein Begreifen, keine Gegenständlichkeit benötigte, um verstehen zu können und lange Zeit spürte ich in diesem Denken keinen Mangel an begreifbaren Oberflächen. Als sich dieses Bedürfnis am Ende einer langen Gedankenkette dann doch wieder in mir regte, stellte ich fest, dass ich mich von einem Holzmann zu einem Metallmann gewandelt hatte.
    Das bedeutete jedoch nicht, dass ich nun sofort zu einem Stück Eisen griff, um dieses mit der Flamme, einem Hammer oder einer Feile zu bearbeiten oder sonst wie in eine mir gefällige Form zu bringen. Es bedeutete lediglich, dass ich dem Werkstoff Metall gegenüber dem des Holzes keine Ablehnung mehr empfand.
    Während der Zeit, in der ich mich vor allem mit dem Sammeln von gedanklichen Eindrücken beschäftigte, begann ich allmählich ein sich veränderndes Gefühl für Wertigkeit zu entwickeln und im Rahmen dieses Gefühls den kleinen Dingen des täglichen Lebens mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Möglicherweise wurde dabei mein nach Innen gerichtetes Streben nach möglichst klaren Gedanken, von einem sich parallel dazu entwickelnden Streben nach einer klaren Form im Außen begleitet.
    Einer Form, die mir zum gegenwärtigen Zeitpunkt immer noch in hölzerner Gestalt, wie zum Beispiel in Form einer Schale, einer kleinen Schnitzerei oder eines Handschmeichlers  begegnen kann, doch im Rahmen meiner Sehnsucht von mir nun vorrangig im Wesen des Metals gesucht und gefunden wird.
    Zu meinem großen Bedauern wird nun, dem Schicksal des Holzes folgend, inzwischen auch das Metal zunehmend aus meinem direkten Lebensumfeld verdrängt und ebenfalls durch Kunst- oder Verbundstoffe ersetzt. Obwohl sich dieser Verdrängungsprozess unmerklich zu vollziehen scheint, beginnt sich in mir eine wehmütige Sehnsucht nach einem, in dieser Wandlung zunehmend verloren gehenden Gewicht der Dinge zu regen.
    So erinnere ich mich mit dem Gefühl der Wehmut an meine erste Spiegelreflexkamera. Eine Canon AE I, in der wie man es damals nannte "Profiausführung", sprich mit schwarzem Aluminiumdruckgussgehäuse. Eine Kamera, für deren Erwerb ich mich vor gut drei Jahrzehnten über Jahre verschuldete, weil für sie ein kleines Vermögen gefordert wurde, ich dieses Vermögen nicht besaß und sie für mich nicht nur wegen ihres Preises und der von mir abzutragenden Schuldenlast einen besonderen Wert darstellte.
    Die Bilder, die mit Hilfe dieser  Kamera entstanden, verliehen der Welt eine Gestalt. Sie zeigten die Welt wie ich sie durch meine Augen sah und ihr Wert drückte sich für mich auch durch ihr Gewicht aus. Sie hat sehr viel gekostet, doch hat sie dafür auch mit einem entsprechend Gewicht in der Hand gelegen. Ganz zu Schweigen, von der Patina die sich über die Jahre durch den ständigen Gebrauch auf der Oberfläche bildete.    
    Wenn ich dagegen zu einem der heutigen Kameragehäuse aus Kunststoff greife, erfüllt mich bereits deren Mangel an Gewicht mit dem unguten Gefühl eines nicht näher zu beschreibenden Misstrauens. Eine solche Kamera kostet immer noch viel und hat von ihrem technischen Entwicklungsstand her sicherlich einiges mehr zu bieten. In Bezug auf die gelieferte Fotoqualität, können ihr die alten Gehäuse möglicherweise kaum noch das Wasser reichen und trotzdem stehe ich einem solchen Gehäuse in seinem Mangel an Gewicht instinktiv mit deutlich ablehnender Haltung gegenüber.
    Egal wie gut die der Kamera innewohnende Technik auch sein mag. Was ihr für mein Empfinden fehlt, ist das Gewicht. Ein Gewicht, das mir ein, auf der körperlich Ebene des Begreifens spürbares Gefühl für den Wert eines solchen Gehäuses vermittelt. Stattdessen halte ich ein in Kameraform gegossenes Stück Kunststoff in der Hand. Angefüllt mit Chip gesteuerter Technik, von deren Funktionsweise ich nicht die geringste Ahnung habe und die mir mehr und mehr meines selbst gesteuerten Handelns aus der Hand nimmt. Ob ich gute Bilder mache oder nicht, liegt mit einer solchen Kamera längst nicht mehr in meinem Ermessen. Scheint ihrer Programmierung etwas nicht optimal, dann übernimmt die Technik im Kunststoffgehäuse wie selbstverständlich die Führung.
    Zwar wird mir die Möglichkeit geboten, im Augenblick der von mir nicht gewünschten Kontrollübernahme die Technik abzuschalten, doch die Magie des Augenblicks, um den es mir in der Fotographie immer ging, ist zu diesem Zeitpunkt möglicherweise längst verfolgen.
    Gerade das Unperfekte, das mir als wesentlicher Bestandteil meiner persönlichen gestalterischen Kreativität und damit auch meiner speziellen Qualität immer wichtig war und ist, scheint von der heute gebotenen Technik immer weniger gewünscht. So sucht man zum Beispiel die Raster oder Hilfslinien, die früher wie selbstverständlich eine manuelle Scharfstellung unterstützten, in den Suchern moderner Kameras in der Regel vergebens.
    Spreche ich den von mir empfundenen Mangel einer bewusst gebotenen Unvollkommenheit gegenüber eines Anbieters offen aus, werden mir im Zusammenhang mit einer, von der Gesellschaft der Konsumenten offensichtlich geforderten technischer Perfektion sofort all die nicht zu verleugnenden Vorzüge einer Entwicklung entgegengehalten, die ausschließlich erdacht wurden, um dem Konsumenten also möglicherweise auch mir, das Leben insgesamt leichter, angenehmer und vor allem vollkommener zu gestallten.
    Doch da ich in diesem Gedankenkonstrukt wohl zu der unangenehmen Gruppe der unbelehrbar Undankbaren gehöre, wird es wohl bei dem von mir empfundenen Mangel bleiben, der meinem Hang nach einer besonderen Qualität des Unperfekten entgegenkommt. Und mit diesem Mangel, nimmt auch das Gefühl zu, das hier wie in vielen anderen Bereichen etwas deutlich nicht so ist, wie es meiner Meinung nach sein sollte.
    Im Gegensatz zur Masse der aufgeschlossenen Technikfreunde empfinde ich es als wenig hilfreich, wenn mir von irgendwelchen seelenlosen technischen Einrichtungen wesentliche Teile meines Handelns vorgegeben oder gar komplett aus der Hand genommen werden.
    Im Gegensatz zur scheinbar breit gefächerten Ansicht der Masse der Konsumenten, bin ich nicht der Meinung dass mir mein Leben, egal ob ich es will oder nicht, von immer neuen Technikangeboten bequemer gestaltet wird und selbst wenn von allen Seiten der Versuch unternommen wird mir einzureden, das durch diese Angebote mein Leben an Qualität gewinnt, wird dies von mir in aller Deutlichkeit nicht so gesehen.
    Ich gehöre zu den Menschen die es schätzen, Türen mit einem beherzten Griff selber öffnen, um zu sehen was sich hinter ihnen verbirgt. Türen die bereits bei der bloßen Annäherung, sozusagen auf Verdacht, geräuschlos zur Seite gleiten und mir damit ein durchschreiten aufnötigen, sind mir suspekt.
    Wasserhähne, die sich ausschließlich durch wildes, unkontrolliertes Handgefuchtel, dazu bewegen lassen, einen auf ein Minimum begrenzten Wasserstrahl aus der Leitung zu schießen und dies dann noch dazu in einem Augenblick tun, in dem sich keine der fuchtelnden Hände in Reichweite des Strahls befindet, sind ebenfalls nicht mein Ding.
    Ich denke, dass ich von meinem Wesen her recht einfach strukturiert bin. Ganz im Sinne der buddhistischen Weisheit nach der jedes Handeln mit Folgen verbunden ist, mag ich es Schalter zu betätigen, Türgriffe zu drücken oder Hähne zu drehen, um damit von mir sehr Bewusst gewollte Abläufe, Ziel gerichtet in Gang zu setzen. Eigenverantwortliches Handeln in Augenblicken, in denen es mir persönlich sinnvoll und auch richtig erscheint.
    Doch wer sich heute in einer, sich beständig entwickelnden und verändernden Gesellschaft bewegt und sich nicht ob des von unbekannten Geistern erzwungenen Zustandes der Unmündigkeit zur Aufgabe eigenverantwortlichen Handelns zwingen lässt, der wird früher oder später möglicherweise dazu übergehen, als Gegengewicht zu all diesen, ihm von außen aufdiktierten Unmündigkeiten seine eigenen Parallelwelt zu entwickeln, in der er sich die Möglichkeiten schafft, die Dinge die ihn bewegen, wieder ihrem tieferen Kern oder Wesen entsprechend zu erkennen und zu verstehen.
    Häufig richtet man den Blick dabei sehnsuchtsvoll auf die Dinge die einem aus einer sprichwörtlich  guten alten Zeit vertraut sind. Auch wenn ich meine Texte in der Überzeugung schreibe, in einigen Bereichen des Lebens anders als andere zu ticken, komme ich an diesem Punkt zu dem Schluss, in diesem Bereich eher der Norm als einer Ausnahme zu entsprechen und so wird ein Teil der Inhalte meiner Parallelwelt wie bei unzähligen Anderen auch seit meiner Jugend von motorisierten Fahrzeugen besetzt.
    Von Fahrzeugen, die von rückständig anmutenden Verbrennungsmotoren der gröberen Bauart angetrieben werden. Motoren, die die Menschen in der Vergangenheit bewegten und fernab jedes, in die Zukunft gerichteten Vernunftverständnisses, auf der Basis einer technisch und wirtschaftlich längst überholten Technik in ihrer Funktion auch heute noch leicht nachvollziehbar über den Kopf zu verstehen und über die Hände zu begreifen sind.
    Motoren, deren Startprozess in vielen Fällen eher einer rituellen Handlung gleicht und die nach dem Start zunächst eine gewisse Betriebstemperatur erreichen müssen, bevor sie rund laufen und deren Lauf sich auch dann noch mit kraftvoll ruppigen Vibrationen auf den Körper, den Geist und vor allem die Seele des Fahrers überträgt und ihn dazu einladen mit ihnen im Einklang zu schwingen.
    Mit dem zunehmenden Interesse an alten Motoren wurde auch meine längst vergessen geglaubte Liebe zu außergewöhnlichen zweirädrigen Fahrgeräten neu belebt. Die ursprüngliche Mobilität meiner Jugend erfuhr ich mir wie viele andere vor mir vorzugsweise auf zwei Rädern. Leistung und Geschwindigkeit spielten in meinem Denken dabei jedoch nie eine besondere Rolle.
    Statt auf Leistung und Geschwindigkeit legte ich Wert darauf, dass die von mir bewegten Zweiräder individuell und einzigartig daherkamen. Ob sie schnell waren, interessierte mich dabei weniger. Dass sie sich in meinem Bedürfnis nach Individualität immer auch hart an der Grenze des Legalität bewegten, gehörte in dieser frühen Zeit meiner Motorisierung für mich wie selbstverständlich dazu. Hatte ich die Grenzen des Legalen überschritten, wurde mir das von Seiten der übergeordneten Ordnungskräfte unmissverständlich in Form einer grünen Mängelkarte deutlich gemacht.
    Nach Erhalt einer solchen Karte, wurde der Zustand des Ursprungs so weit wie möglich oder nötig wieder hergestellt und das Ergebnis des Rückbaus den Graukitteln des technischen Überwachungsvereins vorgeführt, um es von diesen abnicken zu lassen und unter dem Eindruck einiger mahnender, auf meine Zukunft bezogener Worte das Weite zu suchen.
    Bis zur Ankunft in der Geborgenheit des heimischen Schrauberschuppens waren diese Mahnungen längst wieder vergessen und alles ging von vorne los. Bis zur nächsten Mängelkarte und dem nächsten Besuch beim TÜV. So war das damals! Die Kosten für einen solchen Spaß beliefen sich in der Regel auf 25,- bis 50,- DM und das Ganze war für mich nichts weiter als ein Spiel. Ein Spiel, in dem sicherlich nicht alles besser war, es war lediglich anders.
    Dieses hin und her, das beständige ausloten der Möglichkeiten zwischen mir, der Polizei und dem TÜV, all das An-, Ab- und Umschrauben, hat mich in den frühen Jahren meiner Sturm- und Drangzeit in Bewegung und meinen Geist wach gehalten. Es gab etwas, das ich mir obwohl es technisch nicht immer unbedingt einen Sinn ergab, vorstellen und mit einfachsten handwerklichen Mitteln und Fähigkeiten auch selber umsetzen konnte. Auch wenn vieles davon im Rückblick betrachtet keine besondere Leistung darzustellen schien oder gar einem gesellschaftlich sinnvollen Zweck dienlich war, erfüllte mich mein Tun damals mit einer gewissen inneren Ruhe und Befriedigung.
    Inzwischen betrachte ich diese Zeit mit gemischten Gefühlen. Obwohl es mich bei jedem meiner zweirädrigen Fahrzeuge in den Fingen juckte und bis heute juckt, habe ich mich auf meinem Weg weiterentwickelt und statt dem ständigen Kontakt zur Polizei und dem TÜV, suche ich inzwischen vorrangig nach legalen Wegen zur Umsetzung der von mir angestrebten persönlichen Individualität.
    Zwischen meiner frühen Erfahrungen auf zwei Rädern und meinen gegenwärtigen Interessen, liegen gut drei Jahrzehnte in denen ich mich des Autos vor allem in der Reduktion eines simplen Fortbewegungsmittels bediente und all meine vierrädrigen Untersätze schlicht als das betrachtete, was sie bis zu meinem Wendepunkt im Juli 2010 für mich waren. Nutzfahrzeuge, die mich auf  einfachem und bequemem Wege von einem Punkt zum anderen transportieren sollten.
    Die längste Zeit als Nutzer von Fahrzeugen auf vier Räder, verbrachte ich in Fahrzeugen der Marke VW. Golf I, Golf II, dann mit einem Audi 100 Champ einen kurzen Ausflug in die Welt der Audis. Der Audi wurde von einem Caddy I auf Golf I Basis abgelöst, gefolgt von einem Caddy II auf Polo Basis und schlussendlich einem T4.
    Bis einschließlich des Caddy I nahm ich meine frühen vierrädrigen Fahrzeuge ohne ein weiterführendes Interesse an Technik und Funktion als solide ehrliche Fahrmaschinen ohne jeden technischen oder elektronischen Firlefanz wahr. Schlichte, einfache, ehrliche Fahrmaschinen, gebaut um zu fahren und Menschen und Orte miteinander zu verbinden. Nicht mehr und nicht weniger, wurde von mir erwartet. Nicht mehr und nicht weniger wurde mir von diesen Fahrzeugen geboten. Wenn etwas kaputt ging, dann wusste ich in der Regel nicht nur was, sondern auch warum es kaputt gegangen war.
    In einem solchen Fall, ältere Kraftfahrzeugnutzer werden sich möglicherweise noch daran erinnern, suchte man die Werkstatt seines Vertrauens auf, die im allgemeinen Sprachgebrauch damals noch als Autoschlosserei bezeichnet und von den darin werkelnden Autoschlossern mit Leben gefüllt wurde.
    Autoschlosser, das waren zu dieser Zeit noch kernige Handwerker mit einem echten Interesse für Motortechnik. Autoschlosser die mir zur Begrüßung ihre mit Oil verschmierte Hand reichten. Die, wenn sie über eine, ihrer Berufsbezeichnung entsprechende Qualität verfügten, von ihren Kunden in einer gewissen Vertrautheit als "mein Schrauber" bezeichnet wurden und sich mit feinem Gespür darauf verstanden, mit echten Werkzeugen, echte Reparaturen an Fahrzeugen durchzuführen, ohne sich dabei durch Berge formschöner Kunststoffabdeckungen mit komplizierten und hochsensiblen Clipverschlüssen kämpfen zu müssen, deren einziger Zweck darin zu bestehen scheint, bei der leichtesten Berührung abzubrechen, um am Ende mehr oder weniger ratlos vor einer elektronisch gesteuerten Fahrzeugkomponente zu stehen, die sich nicht mehr reparieren lässt, sondern lediglich ausgetauscht werden kann. Auch wenn man es heute kaum noch glauben mag, wurde damals noch tatsächlich etwas repariert. Wohlgemerkt repariert!


"Unter Reparatur (von lat. reparare = wiederherstellen) bzw. Instandsetzung wurde in der Vergangenheit der Vorgang verstanden, bei dem ein defektes Objekt mit Hilfe eben dieser Reparatur in seinen ursprünglichen, funktionsfähigen Zustand zurückversetzt wurde."  


    Dies bedeutet schlicht, dass etwas das kaputt gegangen ist, unter Einsatz von Werkzeugen und der tatsächlich benötigten Ersatzteile, wieder zum funktionieren gebracht wird. Und wenn einem in einer Autoschlosserei eines dieser Teile bei der Reparatur auf den Fuß fiel, dann konnte man sich glücklich schätzen, wenn dieser Fuß in einem Sicherheitsschuhe steckte. Doch der Vorgang einer echten Reparatur in ihrem ursprünglichen Sinnverständnis ist etwas, das die gegenwärtige Generation von Fahrzeugnutzern zunehmend nur noch aus den Erzählungen der Alten kennt.
    Mein Caddy I leistete mir zum Beispiel ohne jedes größere Problem über 270 000 Kilometer treue Dienste und die einzige echte Macke, die er sich erlaubte, bestand darin, in regelmäßigen Abständen die Vorglühsicherung zu fressen.
    Eine Sicherung, die aus einem dünnen Metallstreifen bestand und die heute kaum zu glaubende Summe von 25 Pfennig kostete und tatsächlich einzeln verkauft wurden. Kosten, die Angesichts der heutigen Ersatzteilpreise fern jeder Vorstellungskraft angesiedelt sind. Weil ich die Macke meines Caddys kannte, hatte ich immer einen kleinen Vorrat an Vorglühsicherungen im Handschuhfach und war in der Lage sie ohne größeren Aufwand selber auszutauschen. Verweigerte mein Caddy den Dienst, war die Sache mit Hilfe eines Schraubenziehers nach maximal zwei Minuten erledigt und es konnte weitergehen.
    Das Ritual des Sicherungswechsels wurde mit der Zeit etwas, das mich in gewisser Weise in stiller Zuneigung mit meinem Caddy verband und dazu führte, dass ich ihm bis heute nachtrauere und zu der Überzeugung gelangt bin, das ich ihm niemals gegen ein moderneres Fahrzeug hätte tauschen dürfen.
    Mit den folgenden Fahrzeugen sollte mir die Möglichkeit einer solchen Form der inneren Verbindung allerdings zunehmend verweigert werden. Dass sich etwas änderte, bemerkte ich zunächst daran, dass mir die Angestellten der Autoschlossereien, die sich inzwischen KFZ Fachwerkstätten nannten, in der von ihnen besetzten Position des Automechanikers statt im Kittel oder Blaumann immer öfter in verdächtig sauberer Kleidung gegenüber standen. Hatte ich ein Problem, dann schienen sie sich mit zunehmend abnehmender Aufmerksamkeit nicht mehr für meine Fähigkeit zu interessieren, dieses Problem sehr präzise und detailliert beschreiben zu können.
    Eine der magischen Phrasen, die ich als Kunde einer KFZ Fachwerkstatt, die sich inzwischen in einem intellektuell fehlgeleitetem Selbstverständnis bereits nicht mehr als KFZ Fachwerkstätten, sondern vielmehr als Diagnosezentren verstehen, immer wieder zu hören bekomme, lautet "Computer gestützte Fehlerdiagnose" und mögliche Fehler werden im Rahmen einer solchen Computer gestützten Fehlerdiagnose nicht mehr, wie in der Vergangenheit üblich, zunächst vom mir als Besitzer des Fahrzeugs beschrieben und danach vom Autoschlosser gesucht und gefunden, sie werden ausgelesen.
    Diejenigen, die sich früher mit Stolz als Autoschlosser verstanden und damit in jedermanns Kopf eine sofortige Verbindung zu einer bodenständigen Handwerkskunst herstellten, bei der sich der Handwerker mit beiden Armen bis zu den Ellbogen im Motorraum befand, sucht man in diesen Diagnosezentren heute vergebens.
    So gehört in der Gegenwart nicht nur das ölig schmutzige Berufsbild des Autoschlossers, sondern auch dessen intellektuell gestützte Weiterentwicklung zum Automechaniker, längst der Vergangenheit an. Diejenigen, die in der jüngeren Vergangenheit noch als Automechaniker bezeichnet wurden, nennen sich inzwischen Mechatroniker und erzeugen mit dieser Berufsbezeichnung zumindest in meinem Kopf lediglich ein Fragezeichen, das in einer regenbogenfarbenen ansonsten leeren Gedankenblase vor sich hin schwebt.
    Habe ich ein Problem mit meinem Fahrzeug und versuche in meiner naiven Anhaftung an längst vergangene Zeiten diese Problem zu beschreiben, dann hören mir diese Mechatroniker in ihren blütenweißen Kitteln, dem Gefühl einer ebenfalls verblassenden Grundhöflichkeit entsprechend nur noch gezwungener Maßen und ohne jedes weiterführendes Interesse an meinen Ausführungen zu. Selbst wenn sie mir gegenüber, so wie sie es möglicherweise in Rhetorikkursen zur "Zufriedenstellung eines in seiner Grundtendenz eher unzufriedenen Kunden" gelernt haben, vortäuschen an meiner Problembeschreibung interessiert zu sein, geling es kaum einem von ihnen seine Körperspannung tatsächlich so lange zu halten, das ich ihm sein, wie antrainiert wirkendes Interesse wirklich abnehmen könnte.
    Darauf zu hoffen, dass im Anschluss an meine Problembeschreibung, wie in der Vergangenheit üblich, ein mit Werkzeug beladener Rollwagen an mein Fahrzeug geschoben und zur Reparatur geschritten wird, widerspräche in der Gegenwart jeder Realität. In der Regel beschränkt man sich darauf das Diagnoseprogramm anzustöpseln um den Fehler auszulesen.
    Die Kosten für einmal Fehlerauslesen sind dabei von Diagnosezentrum zu Diagnosezentrum selbstverständlich variabel und können, wie ich mittlerweile aus eigener umfassenden Erfahrung weiß, zwischen 18,96 € und 66,05 € betragen. Dabei spielt es bei diesen grundsätzlich anfallenden Kosten nicht die geringste Rolle, ob ein Fehler angezeigt wird oder nicht. Die Tatsache, dass das Auslesen möglicher Fehler soweit es sich vermeiden lässt nicht in Gegenwart des Kunden vorgenommen wird, erfüllt mich eher mit gesteigertem Misstrauen, als das es mein Vertrauen in die Fähigkeiten des, die Diagnose durchführenden Mechatronikers in irgend einer Form festigen würde.
    Glücklich können sich in der Folge diejenigen schätzen, deren Steuergerät während des Auslesens tatsächlich einen Fehler angezeigt. Das ganz große Los hat man bereits gezogen, wenn der angezeigte Fehler auch tatsächlich etwas mit dem beschriebenen Problem zu tun hat.
    In einem solchen Fall gibt sich der Mechatroniker gegenüber dem Kunden gerne fachkundig wissend, mit einem Schuss mechatronischer Überlegenheit. Schließlich ist er sich zu seiner Zufriedenheit darüber im Klaren, dass Komponenten ausgetauscht werden müssen und zum Glück für den Kunden weiß er, dem Diagnoseprogramm sei Dank, auch welche.   
    Doch in der Realität stellt sich dieser, nahezu als Perfekt zu bezeichnende Zustand des mechatronischen Wissens eher selten ein und wenn das Wissen bezüglich möglicher Austauschkomponenten fehlt, dann nennt der ratlose Mechatroniker das schlicht Kundenpech in unterschiedlichen Abstufungen.
    Wenn das Diagnoseprogramm keinen Fehler anzeigt, ist dies als Kundenpech der einfachsten Form zu bezeichnen. Denn in diesem Fall weiß der Mechatroniker nicht, welche Komponenten er austauschen muss, um ein Problem zu beheben, das das Diagnoseprogramm nicht als ein solches zur Kenntnis bringt.
    Mittelschweres Kundenpech erkennt man daran, das das Diagnoseprogramm zwar eine größere Zahl von Fehlern anzeigt, diese jedoch allesamt nicht mit dem tatsächlichen Problem in Verbindung zu stehen scheinen. In einem solchen Fall neigt die Summe der Mechatroniker dazu, einen Kunden mit dem Ergebnis der Diagnose im Rücken ohne jeden Skrupel und ohne jede Rücksicht auf die sich abzeichnende Kostenexplosion davon in Kenntnis setzen, dass er zunächst alle angezeigten Fehler abarbeiten müsse, um dem tatsächlichen Fehler überhaupt auf die Spur kommen zu können. Und dies, nicht weil es sich bei seiner Person um einen guten Mechatroniker handelt, sondern schlicht und ergreifend weil es das Diagnoseprogramm von ihm verlangt. Auch wenn man es in dieser Situation der Logik folgend anders erwarten würde, stellt diese Vorgehensweise eher die Regel, als eine Ausnahme dar.                
    Den Supergau auf der nach oben offenen Skala des möglichen Kundenpechs erlebt man, wenn der Mechatroniker seine berufliche Laufbahn bereits als Mechatroniker begonnen hat. Denn dies bedeutet unter Umständen, dass die Entwicklung handwerklich logischen Denkens nicht zu den Unterrichtsinhalten seines Berufsbildes gehörte und sich die komplette Palette seiner Fähigkeiten dementsprechend ausschließlich auf den bloßen Austausch  angezeigter Komponenten beschränkt. In diesem Fall kann man sein Fahrzeug nach dem Austausch aller angezeigten Komponenten, die möglicherweise allesamt nicht mit dem tatsächlichen Fehler in Verbindung standen, getrost auf den Schrott werfen. Eine Einschätzung, die man im Sommer 2010 übrigens auch in allen "drei" der von mir aufgesuchten Fordfachwerkstätten teilte.
    Das mein Fahrzeug, ein Ford Transit mit Baujahr 2008 zu diesem Zeitpunkt erst zwei Einsatzjahre auf der Uhr hatte, schien dabei unter den Mitarbeiter der von mir aufgesuchten Ford Diagnosezentren,  von einer möglichen Irritation ganz zu schweigen, niemanden tiefer gehend zu beeindrucken. Denn wenn alle Fehler beseitigt wurden, die das Diagnoseprogramm angezeigt hat und das Fahrzeug dann immer noch nicht läuft, dann sind die Mechatroniker bei Ford, mit ihrem Latein am Ende. Doch der Reihe nach!
    Weil mich der Elektronikwahn bei VW von Seiten der nicht zu überschauenden Kostenexplosion in die von Resignation getragene Aufgabe zu treiben drohte, entschied ich mich 2008 zu einem Wechsel der Marke und kaufte in der Hoffung auf ein robustes Transportfahrzeug, einen Ford Transit mit Tageszulassung, sprich achtzehn gefahrenen Kilometern, um nur zwei Jahre später, ausgerechnet mit diesem, meinem Hoffnungsträger die Folgen eines Computer gestützten Pechsupergaus durchleben zu müssen.
    Exakt einem Monat nach Ablauf der Garantie entschied sich das Steuergerät auf der Grundlage der Murphyschen Gesetzgebung aus welchem Grund auch immer, zur vollständigen Löschung seines Programms.

"Wenn es mehrere Möglichkeiten gibt, eine Aufgabe zu erledigen, und eine dieser Möglichkeiten direkt in einer Katastrophe mündet oder sonstige unerwünschte Konsequenzen nach sich zieht, dann wird es jemanden geben, der dem Murphyschen Gesetz folgend, genau diese Möglichkeit wählt."

    Nachdem ich während einer Fahrt auf der Autobahn in ein heftiges Gewitter gerate war, blieb der Transit am folgenden Tag nach einer kurzen, sich schnell auf alle Gänge übertragenden Ruckelphase einfach stehen und das Auslesen des Computers ergab, das es nichts mehr zum Auslesen gab.
    Da das Ergebnis, wie bereits geschrieben, keinen Einfluss auf den Preis hat, betrugen die Kosten für das Auslesen von Nichts 38,50 €. Die darauf folgende Reparatur bestand darin, den festgestellten Raum des Nichts mit der Neuaufspielung des in den Zustand des Nichts übergegangenen Programms zu füllen. Die Kosten für diese Neuaufspielung betrugen 120,- €.
    Im Bezug auf die, wie ich finde durchaus berechtigte Frage, wodurch der Computer zur vollständigen Löschung des Programms veranlasst wurde, fehlte den Mechatroniker der Fordfachwerkstatt, die mir auf meine Fragestellung im kollektiven Unverständnis begegneten, zu meiner großen Überraschung nicht nur jedes handwerkliche Interesse an einer möglichen Ursache, sondern auch die grundsätzliche Bereitschaft des Nachdenkens.  
    Eine Arbeitshaltung, die mich in der Folge anhaltend beschäftigen sollte und die ich mir unter Einbeziehung aller mir denkbaren Möglichkeiten nicht nachvollziehbar ist und mir wohl auch in Zukunft nicht befriedigend werde erklären können.
    Auch wenn mit der Neuaufspielung des Programms nichts in der Realität greifbares repariert wurde, wurde mir das Fahrzeug von den Mechatronikern der Ford Fachwerkstatt als repariert übergeben, um mir dann zwei Wochen später mit dem gleichen Problem erneut den Dienst zu verweigern.
    Eigentlich keine große Sache, sieht man einmal davon ab, das ich mich zum Zeitpunkt der erneuten Dienstverweigerung in Berlin und damit rund 600 Kilometer von der für die Problembehebung zuständige Ford Fachwerkstatt entfernt befand.
    Das sollte für mich als stolzer Besitzer und nun auch Nutzer einer goldenen ADAC Karte kein echtes Problem darstellen. Außerdem bot sich mir während der zehnstündigen Rückführung meines Fords die Möglichkeit auf diesem Wege Frank von ADAC kennen zulernen.
    Eine Begegnung, die ich allem Ärger zum Trotz als einen echten Gewinn verbuche.  
    Frank kam nicht nur aus der ehemaligen DDR und konnte mir aus diesem Grund einen tiefen Einblick in das Leben und Überleben in unserem kommunistischen Bruderstaat bieten, sondern lebte und arbeitete nach dem Fall der Mauer auch einige Jahre als freier Mann mit eigener Autoschlosserei  in Ungarn und liebte darüber hinaus das Fischen in den Tiefen norwegischer Fjorde.
    Im Gegenzug konnte ich ihm von meinen in Japan und den USA gesammelten Erfahrungen berichten und so unternahmen wir auf der Fahrt von Berlin nach Krefeld eine kleine gedankliche Reise rund um die Welt. Wir saßen in buddhistischen Tempeln, standen am Rand des Grand Canyon, angelten Lachs in Norwegen und reihten uns in Ostberlin in den Schlange vor der Kaufhalle ein.  
    Bei Ford zeigt man sich im Gegensatz dazu weit weniger unterhaltsam und beschränkte sich darauf den Computer einzustöpseln und sich damit zunächst einmal erneut die 38,50 € aus meiner Geldbörse zu sichern. Zum allgemeinen Erstaunen zeigte der Computer nun das es ihn zwar noch gab, einzig einen Fehler war er nicht bereit zu offenbaren.

    Einfacher, logischer Schluss der Mechatroniker, wo kein Fehler angezeigt wird, da gibt es auch keinen. Dass der Ford trotzdem nicht lief, betrachtete man bei Ford eher als kleine, wenn auch unangenehme Nebensächlichkeit.
    Den Versuch mir einzureden, das ich möglicherweise zuwenig Diesel im Tank hätte, verbuchte ich als Akt der Verzweifelung Unwissender, den ich mit einem schlichten Hinweis auf die halbvolle Tankanzeige zu den Akten legen konnte. Und da man sich über diesen mehr als schwachen Versuch hinaus nicht in der Lage sah, ihn trotz aller gezogener mechatronischer Register ans laufen zu bringen, wurde der Transit von der Ford Fachwerkstatt des Innungsobermeisters zur Ford Fachwerkstatt für Transportfahrzeuge transportiert.
    Dort war man angeblich auf Nutzfahrzeuge spezialisiert und obwohl der Computer auch hier für 18,96 Euro keinen Fehler anzeigte, kam der Meister der Mechatroniker dieser Ford Fachwerkstatt nach einer von ihm vorgenommenen Sichtprüfung zu dem Schluss, das der Turbolader hin sei.
    Natürlich der Turbolader! Warum kleckern, wenn man auch klotzen konnte und wer begnügt sich unter echten Mechatronikern schon mit einem kleinen Fühler, einem Sensor oder sonstigem unscheinbaren Technikschnickschnack, wenn ihm die Möglichkeit geboten wird, den kompletten Turbolader auszutauschen.
    Kosten 1800,- €. Dagegen wirkten die paar Euro, die sich der Computer beim Einstöpseln aus meiner Tasche saugte wie ein Mückenschiss und um dies zu bestätigen, wurde der Transit nach dem Austausch des Turboladers, nur um auf Nummer Sicher zu gehen, noch einmal angekabelt. Weiter 25,50 € und einem ausgetauschten ABS Fühler für zusätzliche 80,- € später, fand ich mich mit meinem reparierten Ford und dem Gefühl ordentlich Durchgebumst worden zu sein, ohne jedoch selber etwas davon gehabt zu haben, auf der Strasse wieder.
    Dieses Mal kam ich einen Tag später exakt bis nach Hamburg, bevor sich mein Ford unter Vorgabe der bereits bekannten Problematik und trotz des neuen Turboladers dazu entschied, genug geleistet zu haben. Dank meiner goldenen ADAC Karte, für mich immer noch kein Problem. Auf dem Rücktransport hatte ich dieses Mal die Gelegenheit Ingo vom ADAC kennen zu lernen und musste erfahren, dass längst nicht alle ADAC Fahrer den Unterhaltungswert eines Franks besitzen.
    Obwohl Ingo sehr offen über die Ängste eines Abschleppwagenfahrers zu philosophieren wusste, was es bedeuten konnte, zu früh an einem Unfallort zu erscheinen und sich damit direkt mit dem Blut, dem Schweiß und dem Rotz, dem Leid, dem Schmerz oder gar dem Tod eines möglichen Unfallopfers konfrontiert zu sehen, weckte er damit kein echtes Interesse bei mir.
    Während er sich in seinen, in Blut getränkte Ausführungen verlor, beschäftigte ich mich mit dem Gedanken darüber, was mich der Spaß mit dem sich hier vollziehenden Techniksupergau bereits gekostet hatte und mich möglicherweise noch kosten würde und welche Möglichkeit mir bliebe, angesichts einer offenkundigen Abhängigkeit gegenüber irr geleiteter Fühler und Sensoren nicht selbst den Glauben an eine einfach funktionierende und für mich nachvollziehbare Technik zu verlieren.
    Ich will an dieser Stelle die Ereignisse um meinen Transit nicht über die Maßen vertiefen, da sie nicht den zentralen Inhalt dieser Geschichte bilden, sondern lediglich den Schlusspunkt hinter einen langen langsam gärenden Entwicklungsprozesses setzte, der seine Auflösung in einer denkbar einfachen und trotzdem radikalen Entscheidung fand.
    Fakt ist, das sich der Transit in den nächsten Wochen und Monaten immer wieder mit dem gleichen Problem selber aus dem Verkehr ziehen sollte, ohne das man in insgesamt vier Ford Diagnosezentren bei zunehmender Lustlosigkeit und Dessintresse auch nur im Ansatz in der Lage gewesen wäre, dem Fehler auf die Spur zu kommen oder ihn gar zu beheben.
    Nachdem ich im letzten Akt der Geschichte dem Ford Kundendienst in Köln den gesamten Schadensablauf mit der Bitte um eine Stellungnahme und eine Einschätzung der Sachlage zugesandt hatte, setzte man meiner Geschichte mit der folgenden Antwort die Krone auf.  


Sehr geehrter Herr Markus,

vielen Dank für Ihre Nachricht.

Wir freuen uns, dass Sie sich für den Kauf eines neuen Ford Transit entschieden haben. Umso mehr bedauern wir die Unannehmlichkeiten, die Ihnen aufgrund der geschilderten Beanstandungen entstanden sind.

Nur der Ford Vertragshändler vor Ort hat - nach der Untersuchung Ihres Fahrzeugs - die Möglichkeit, eine präzise Diagnose zu stellen und eine Beanstandung zu beseitigen. Unsere Vertragspartner vor Ort sind hervorragend ausgebildet und verfügen über die entsprechende technische Ausstattung. Ihr Ford Vertragspartner kann eine Probefahrt sowie die übrigen erforderlichen Prüfarbeiten an Ihrem Ford Transit durchführen.

Um im Sinne beider Parteien eine Klärung herbeizuführen, haben wir das Autohaus L. GmbH & Co. KG in Krefeld über Ihre Beanstandung informiert. Mit Herrn B. wurde besprochen, dass Sie sich jederzeit zwecks Besprechung Ihrer Anliegen mit dem Autohaus in Verbindung setzen können.

Wir sind überzeugt, dass Sie bei unseren Partnern vor Ort gut aufgehoben sind.

Mit freundlichen Grüßen


    Statt dieser Antwort, hätte man mir auch direkt ins Gesicht schlagen können. Den gesamten Schadensverlauf, der zu diesem Zeitpunkt bereits 8 DIN A 4 Seiten füllte, offensichtlich ignorierend und mich zusätzlich auch noch zu meinem Kauf beglückwünschend, fehlten mir ob der Antwort zunächst schlicht die Worte. Im Rückblick kann ich die Stellungnahme des Ford Kundendienstes heute lediglich als ein Armutszeugnis bezeichnen.
    Angesichts dieser Antwort begann ich mich nach einem im Mittelalter gern gepflegten Brauchtum zu sehnen. Im Rahmen dieses Brauchtums hätte man den gesamten Ford Kundendienst mitsamt ihrer hervorragend ausgebildeten mechatronischen Vertragspartner und den dort tätigen Meistern geteert und gefedert und mit Knüppel aus der Stadt getrieben.
    Doch bedauerlicher Weise leben wir nicht mehr in der Zeit dieses erdigen und urwüchsigen Brauchtums und so genügt dem offiziellen Fordvertreter der Glückwunsch zum Kauf und das gleichzeitige Bedauern des Schadens, um den Müll zu legitimeren, den man zumindest im Falle meines Transits im Fordwerk auf die Räder gestellte hatte. Am Ende meiner sprachlosen Ratlosigkeit suchte ich Halt in der Weisheit der Samurai und traf entsprechend dieser Weisheit eine Entscheidung.


"Den Äußerungen der Alten nach sollte man seine Entscheidungen innerhalb von sieben Atemzügen treffen. In dieser Beschränkung entsteht der Geist, zur anderen Seite durchzustoßen."

Yamamoto Tsunetomo


    Als Mensch der durchaus die Bereitschaft in sich trägt, die Inhalte asiatischer Lebensweisheit als wegweisende Lebensdirektive zu verstehen und in die westliche Gegenwart zu übertragen, hatte ich in diesem Fall bereits deutlich zu lange gezögert, eine klare Entscheidung zu treffen. Doch nun war der Entschluss gefasst und lautete zurück zu den Wurzeln. Zurück zu einem Fahrzeug, das ohne jeden elektronischen Firlefanz lief.
    Zurück zu einem Fahrzeug, bei dem sich die Türen nicht über Funk bedienen und Zentral verriegelt ließen, sondern jede einzelne, unabhängig von den anderen mit einem, der ursprünglichen Form entsprechenden Schlüssel auf und abgeschlossen wurde. Zurück zu einem Fahrzeug, bei dem die Fenster von Hand gekurbelt und die Spiegel unter Aufbringung sensiblen Krafteinsatzes in die, den Fahrerproportionen entsprechende Position gebracht wurden. Zurück zu einem Fahrzeug mit eigenem Charakter, mit einer klassischen Form und einem ehrlichen Motor. Zurück zu einem Fahrzeug, ohne Kunststofformteile, ohne Airbags, ohne ABS, ohne Sicherheitsgurte und ohne Nackenstützen.
    Zurück zu einem ehrlichen, schlichten Fahrzeug, wie sie mir in meiner Kindheit begegnet waren. Die über die Kraft verfügten, mich in der Lebensphase des heranwachsenden Jugendlichen zu imaginären Reisen zu inspirieren. Denen ich an lauen Sommerabenden, auf einer der vom Sog des unter ihr fließenden Verkehrs in Schwingung versetzten Fußgängerbrücken über die A 3 am Duisburger Kaiserberg stehend, gedankenverloren mit den Augen folgte, bis sich ihre Umrisse in Richtung Breitscheider Kreuz am Horizont verloren, ohne auch nur einmal auf die Idee gekommen zu sein, ihnen einen Stein oder ähnliches in die Scheibe zu werfen, wie es später gerne gemacht wurde.
    Zurück zu was auch immer, wenn es mich nur vor dem Mist befreite, der mir heute als technische Superlative, als die Spitze der computergesteuerten elektronischen Entwicklung angepriesen und nach Angaben der Hersteller vom Kunden auch ausdrücklich gewünscht wird. Statt Chips, Steuergeräten, Platinen und Computern, zurück zum guten alten Schwermetall.  
    Das Problem mit meinem Ford wurde innerhalb der von mir getroffenen Entscheidung natürlich nicht gelöst. Um die Geschichte mit dem Turbolader, der offensichtlich nichts mit dem eigentlichen Problem zu tun hatte, kümmerte sich, dank einer gut funktionierenden Rechtschutzversicherung der Anwalt meines Vertrauens.
    Auch der Ärger über weiteren, maßlos überzogenen Technikmist, den ich in meinem Leben nicht brauche und dem ich mich trotz allem kaum entziehen kann, weil er inzwischen einen festen Bestandteil unseres gesellschaftlichen Miteinanders bildet, findet mit meiner Entscheidung andere Wege zu gehen kein Ende und wird sich aus meinen Leben auch kaum verbannen lassen.
    Und doch gibt es Möglichkeiten, sich in seinem Leben Räume zu schaffen, in denen sich Fortschritt, Entwicklung und damit eine persönliche Evolution auf kreativen Ebenen vollziehen kann, ohne sich von Tastern, Fühlern, Sensoren und sich automatisch an- und abschaltender Elektronik abhängig machen zu müssen und gleichzeitig der Welt außerhalb dieser Räume etwas gelassener gegenüber stehen zu können.
    Für das Erzählen dieser Geschichte, gibt es zwei Gründe. Zum einen erstaunt mich die Arroganz mit der mich Ford trotz des Unvermögens seiner Diagnosezentrumsmitarbeiter, mein Fahrzeug wieder vernünftig ans Laufen zu bringen, in regelmäßigen Abständen schriftlich daran erinnern, ein Fahrzeug das ich längst nicht mehr besitze, zur regelmäßigen Wartung in ihrer Obhut zu geben, da nur so eine zuverlässige Funktion gewährleistet sei.
    Zum anderen betrachte ich das Erzählen dieser Geschichte, als eine Einladung an Menschen, die sich für kreative Alternativen fern jeder gesellschaftlichen Vernunft interessieren, mich in diese Räume zu begleiten. Sei es, um sich unterhalten zu lassen, um sich zu informieren, um zu lesen, zu fühlen, eigene Räume zu entdecken oder diese am Ende für sich selbst bewusst auszuschließen.
    Frei nach dem Motto guter Swinger Clubs "alles kann, nichts muss", betrachte ich das erzählen dieser Geschichte als ein Angebot, an den von mir gemachten Erfahrungen und den damit verbundenen Gedanken und Entscheidungen teilzuhaben und innerhalb dieses Angebotes zu eigenen Gedankengängen und Entscheidungsfindungen angeregt zu werden.


Was will ich? Was will ich nicht?

    Neben der Frage nach dem Sinn des Lebens, dürften die beiden Frage, nach dem was man will und dem was man nicht will, die zentralen Fragen im Leben eines Menschen sein.   
    Nun, die Frage was ich nicht will, habe ich in meinem Text bereits beantwortet. Ich will nicht länger von einer, mir sinnlos und überflüssig scheinenden Technik in ferngesteuerte Bewegung gehalten werden. Eine Technik die offensichtlich so kompliziert ist, dass ich einen großen Teil meiner mir wertvollen, weil endlichen Lebensenergie darauf verwenden müsste, diese auch nur im Ansatz verstehen zu können!
    Ich will nicht länger von einer Technik abhängig sein, der ich mich scheinbar wie selbstverständlich zu bedienen weiß und damit in einem mehr als trügerischen Gefühl der Sicherheit nutze, ohne sie dem Kern ihrer Funktionsweise entsprechend verstanden zu haben!
    Ich will mir meine persönlichen Lebensbedürfnisse nicht länger von einem mehr als diffusem  Technikangebot vordiktieren lassen!
    Damit ist die Frage nach dem was ich nicht will, eine Frage die sich mit Hilfe eines klaren Bewusstseins leicht beantworten lässt.


"Wenn ich mich in dem was ich bin, in aller Klarheit dazu entschieden habe, etwas nicht zu wollen, dann gibt es nichts auf der Welt, das mich dazu zwingen könnte, es gegen meinen Willen nehmen zu müssen!"


    Wer die Fähigkeit besitzt den Kern dieser, in ihrem Grundsatz schlichten Aussage zu erkennen, der wird auch erkennen, dass man bestimmten Bereichen und Einflüssen nicht mit einem Boykott begegnen muss, wenn man sein Bewusstsein entsprechend entwickelt hat.
    Erinnern wir uns an die Direktive des Swinger Clubs, "alles kann, nichts muss". Das bedeutet, dass jede Entscheidung meines bewussten Selbst einzig bei mir selbst liegt. Es liegt in meiner Entscheidung etwas zu nutzen, wenn ich es will. Nutzen müssen, muss ich es allerdings nicht.
    Bei dem, was ich bewusst nutzen will, besetzt die Qualität des gebotenen Inhalts in meinem Denken und Handeln eine ganz besondere Position in der Form der Nutzung.
    Mein Benzin kaufe ich an der Tankstelle! Für den Einkauf meiner Brötchen, ziehe ich diese trotz der gebotenen Möglichkeit nicht in Erwägung!
    Obwohl ich ein Handy für Notfälle im Handschuhfach meines Autos aufbewahre, nutze ich zum telefonieren ein Telefon mit Festnetzanschluss!
    Um ein Foto machen, das meinen Ansprüchen genügt, kämme es mir nie in den Sinn auf die in vielen Handys gebotene Fotofunktion zurückzugreifen, sondern nutze dazu weiterhin ausschließlich den Fotoapparat!
    Bevor ich meine Texte in den Computer tippe, bringe ich diese mit einem eigens dafür vorgesehenen Stift zu Papier! Was von außen betrachtet möglicherweise als schrullige Überflüssigkeit gesehen wird, bietet mir die für mein Empfinden wertvolle Möglichkeit, meine Gedanken bei der späteren Computereingabe noch einmal im Grundsatz zu überdenken.
    Dies alles könnte innerhalb einer oberflächlichen Betrachtung durchaus bereits als eine Form des  Boykotts verstanden werden. Ich Verstehe es als das Ergebnis eines sich beständig entwickelnden Bewusstseins.
    Die Produzenten all dieser Elektronik und Computer gestützten Neuerungen, sprechen gerne davon, das sich der Kunde genau diese Produkte wünsche und man dementsprechend lediglich dem Wunsch des Kunden folge. Würde ich diesem Kundenbild entsprechen, dann könnte mir zum Beispiel ein automatischer Fensterheber am Auto, das Leben möglicherweise durchaus erleichtern.
    Da ich mich jedoch eher abseits der Norm bewege und mich gerne in den weniger sicheren dunklen Bereichen großer Metropolen herumtreibe und mein Auto dort auch halbwegs sicher abstellen möchte, kommt ein automatisch heruntergefahrenes Fenster, das sich dem Befehl des automatischen Schließens aus einem mir nicht nachvollziehbaren Grund widersetzt und mir auch keine andere Möglichkeit des Schließens bietet, für mich einer emotionale Katastrophe gleich.
    Eine schlichte Kurbel ist mir in einer solchen Situation entschieden sympathischer, als jede mir gebotene Lebenserleichterung in Form einer Automatisierung.
    Bei den Fahrzeugen die heute angeboten werden, hat man jedoch keine Wahl und so werden nun viele Leser in einer Art Selbstschutz dazu neigen, an den in meinem Beispiel genannten dunklen Bereichen großer Metropolen anzudocken, um zu erklären, das ein sich verweigernder Fensterheber, für sie kein besonderes Problem darstelle, da sie selbst sich eher selten bis überhaupt nicht in den dunklen Bereichen großer Metropolen bewegten.
    Und natürlich entbehrt diese Form der Argumentation jeder Realität. Niemand wird sein Fahrzeug, wo auch immer über einen längeren Zeitraum unbeaufsichtigt mit einem heruntergefahrenen Fenster abstellen, wenn sich die Automatik verweigert. Vielmehr wird er in kürzester Zeit seine Planung für die nächsten Stunden seines Lebens der Situation entsprechend umstellen und damit, wenn auch nur für einen begrenzten Zeitraum, der Sklave einer Technik werden, deren Funktionsweise er nicht versteht und auf die er außer des Drückens der Knöpfe keinen weiteren Ergebnis orientierten Einfluss nehmen kann.
    Ein Beispiel, das nicht dramatisch ist und gerade aus diesem Grunde für jeden leicht nachvollziehbar sein sollte.


Doch was will ich?

    Es wäre zu einfach zu behaupten, das das was man will, das genaue Gegenteil von dem ist, was man nicht will. Doch das Leben zeigt tagtäglich, das dies keinesfalls so einfach ist.
    Warum etwas nicht so einfach ist, kann unterschiedliche Gründe haben. Zum einen ist es zum gegenwärtigen Zeitpunkt kaum noch möglich, Angebote zu finden, deren Funktion ausschließlich einem Zweck dient und mir damit überhaupt die meiner Meinung nach wichtige Konzentration auf diesen einen Zweck ermöglicht. Zum anderen gibt es kaum noch Angebote, die sich an ihren ursprünglichen Wurzeln orientieren.
    So wird sich in der schier unüberschaubar breiten Angebotpalette der weltweit agierenden Fahrzeughersteller kaum noch ein Fahrzeug mit einer simplen Fensterkurbel oder sonstigen manuell zu bedienenden Funktionen finden lassen. Im Bereich der grenzenlosen Kommunikationsvielfalt wird man heute kaum noch ein Telefon finden, dessen Funktionsangebot sich auf die bloße Möglichkeit des Telefonierens beschränkt. Stattdessen wird man bei einer entsprechenden Suche, auf Menschen treffen, die gedanklich scheinbar zu nichts anderem in der Lage sind, als den gesamten gebotenen Technikmüll, von dem wir uns gezwungener Maßen umgeben sehen, über den grünen Klee zu loben, um ihn an den Mann oder die Frau zu bringen. Und auch hier ist der Inhalt des gebotenen Mottos wieder ein Einfaches.


"Nach Ansicht des Marktes, der an erster Stelle seine Produkte verkaufen will, braucht der Mensch zum Leben nicht das, was er tatsächlich zum Leben braucht, um zur Zufriedenheit finden zu können. Zufriedenheit empfindet nach Ansicht des Marktes heute nur derjenige, der im grenzenlosem Überfluss Massen von dem besitzt, was er tatsächlich nicht zum Leben braucht!"     


    Ich möchte an dieser Stelle nicht als eifriger Verfechter der unbedingten Reduktion, der Genügsamkeit oder einer sich auf das wesentliche beschränkende Lebensführung der Masse missverstanden werden.
    Ganz im Gegenteil. Denn würden sich tatsächlich alle Menschen auf die Befriedigung ihre wesentlichen Bedürfnisse konzentrieren und sich tatsächlich auch auf diese beschränken, würde dies unsere Konsum orientierte Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit in die wirtschaftliche Katastrophe und den finanziellen Ruin führen.
    Nein! Um mein Leben so führen zu können, wie ich es führe, ist es sogar unabdingbar wichtig, das die Masse in ihrer grenzenlos scheinenden Gier mehr oder weniger ernsthaft daran glaubt, das dem Paradoxum eines maßlosen Angebotes und der gleichzeitigen Entwicklung eines gesellschaftsfähigen Geizmentalität tatsächlich etwas "Geiles" anhaften könnte.
    Nur wenn sich die Räder eines die Massen verdummenden Technikwahns weiterdrehen, wird mir die Vielfalt geboten, die es mir im Rahmen meiner beschränkten Mittel ermöglicht, mich auf das für mich wesentliche konzentrieren zu können.
    Denn auch wenn es absurd scheinen mag, ist eine Konzentration auf etwas Wesentliches heute alles andere als billig. Und besonders die Irrläufer auf dem Weg eines sich entwickelnden Bewusstseins, sind mitunter mit enormen Kosten verbunden.
    Kosten, die ich für mich und meine Entwicklung jedoch bereitwillig trage, weil ich sie als eine "normale" und damit sinnvolle Investition in meine persönliche Zukunft betrachte.

Text: Peter Su Markus