Die Macht des Feuers,
die Magie des edlen Metalls,
die Kraft alter Handwerkskunst

Die Wertigkeit der einfachen Dinge im Handgussverfahren neu entdeckt
 
Text und Fotos von Peter Su Markus 20.11.2016
Geht es in den modern ausgestatteten Werkstätten der führenden Custombike Größen um die Produktion formschöner Anbauteile, dann gilt die Computerized Numerical Control kurz CNC gestützte Präzisions Dreh- und Frästechnik nicht nur für die Produzenten sondern auch für viele Kunden seit gut einem Jahrzehnt als erste Wahl. Doch aus eigener Erfahrung wissen wir, dass man sich an diesen Teilen, der gebotenen Qualität zum Trotz mitunter schnell satt sehen kann. Den Status des besonderen, besitzt ein CNC gefrästes Teil halt nur solange, solange es nicht bei jedem Treffen an jedem dritten Bike zu finden ist und so stellt sich auch dem besten Produkt früher oder später die Sehnsucht nach einem etwas raueren Gegengewicht in den Weg. In unserer Geschichte ist es das von Hand gegossene Teil, das in seiner natürlich gegebenen Unvollkommenheit ein deutliches Gegengewicht zu einem, sich in Perfektion präsentierenden Werkstück aus der Fräse bildet.

Dabei ist das Gießen von Teilen von Beginn an untrennbar mit der Geschichte des Motorrades verbunden. Ohne die in Großserie gegossenen Teile gäbe es keine Motoren und ohne Motoren keine Motorräder. Eine klare Ansage! Doch da die im Gussverfahren hergestellten Bauteile eines Motorrades auf der Oberfläche inzwischen geradezu makellos scheinen, werden sie in der Betrachtung selten als solche wahrgenommen.

Im Bereich der Anbauteile, sieht dies bereits deutlich anders aus. Während man am Rahmen und dem Motor eher selten gravierende Veränderungen vornimmt, gehören der unproblematische Austausch von Anbauteilen zur festen Bank des Auf- und Umbaugeschäfts. Egal ob in großen Werkstätten oder in den Schrauberbuden der Hinterhöfe, nach coolen, neuen Anbauteilen wird immer gesucht. Da sich das Rad jedoch bekanntlich nicht beständig neu erfinden lässt, wird hier unter der Überschrift der alten Schule in Abständen von einigen Jahrzehnten immer mal wieder auf Teile und Herstellungsverfahren zurückgegriffen, die obwohl man sie aus den frühen Jahren bereits kennt, im Laufe der Zeit jedoch zunehmend in Vergessenheit gerieten.

Das Handgussverfahren gehört zu diesen beinahe vergessenen Handwerkstechniken, die man in den letzten Jahren wieder zunehmend für die Produktion von Chopper Teilen neu entdeckt. Es bietet auf relativ einfachem Weg die Möglichkeit, ausgesuchte Teile in Kleinserien herzustellen und dabei über Unregelmäßigkeiten in der Oberfläche der Serie zum Trotz mit jedem Teil ein Einzelstück zu produzieren. In den USA war es Dennis Goodson der durch seine im Gussverfahren hergestellten Luftfilter und Magneto Abdeckungen für Aufmerksamkeit in der Szene sorgte. In Japan wird die führende Rolle in der Herstellung von Gussteilen von der Fork Co. besetzt, die vor allem über eine außergewöhnlich klare Oberflächengestaltung ihrer Produkte zu Punkten weiß.

In Deutschland gehörte Ricky de Haas von Wannabe Choppers zu den ersten, die sich für die Technik des Gießens interessierten und über die Herstellung kleinerer Werkstücke erste Erfahrungen auf diesem Gebiet sammelte. Inzwischen verfügt er auf dem Gebiet des Handgießverfahrens über ein profundes Wissen zur Technik, dem Material und den Möglichkeiten, die sich aus dem Zusammenspiel aller Komponenten in der Herstellung kleiner Teileserien bietet. So erhält der Kunde die Möglichkeit, sich über ein breit gefächertes Angebot an Pointcover, Motordeckeln, Handbrems- oder Kupplungsgriffen, Rückleuchten und Scheinwerfern, Tanks in unterschiedlichen Formen und Ausführungen, Schutzblechen und großflächige Heck und Sitzkombinationen hinaus, Einzelstücke nach eigenen Ideen und Vorstellungen herstellen zu lassen.

Und auch im Angebot des Grundmaterials ist man Flexibel und in der Lage die gewünschten Teile von Alu über Messing bis hin zum Edelstahl anzubieten. Dass die gussbedingten Unebenheiten in den Oberflächen der produzierten Teile über die Nachbearbeitung der Teile erhalten bleiben, ist kein Ausdruck der Nachlässigkeit, sondern ein wesentlicher Teil der Wannabe Philosophie. Sind es doch gerade diese Unebenheiten, die einen klaren Hinweis auf das von Hand gefertigte Produkt geben und damit seine Einzigartigkeit unterstreicht. So findet sich in der Produktion alles, was das Kind im Herzen eines Mannes zum Klingen bringt. Feuer, flüssiges Metall, das Spiel mit dem Sand und das Formen von Teilen und mit ein wenig Glück hält man am Ende etwas in Händen, das Qualität eines Handschmeichlers besitzt. Eines der Teile, die einen durch das Leben begleiten und im Zeitalter der Unbeständigkeit die Werte des Beständigen berührbar machen.     

Für das eher technikinteressierte Kind im Manne, haben wir die Wannabe´s gebeten uns über die Herstellung eines Kupplungshebels die wesentlichen Schritte des Gussverfahrens zu erklären. Gegossen wird in vergänglichen Formen, die für jedes einzelne zu gießende Teil in Handarbeit hergestellt werden und neben der Herstellung eines Gussmodels den arbeitsintensivsten Teil des Gussvorgangs darstellen. Zwar sind der Produktion eines Gussmodels kaum Grenzen gesetzt, doch ist es wie in dem von uns gewählten Beispiel wesentlich einfacher wenn die Vorlage über eine glatte Oberfläche ohne grobe Ecken und Kanten oder nach innen gewölbte Oberflächen verfügt.