Custombike Fukker Wettbewerb 2016 / Teil 1

Akashi Sweets

"In Europa braucht niemand ein Motorrad." (Silvain Berneron, Holographic Hammer)

Ausschnitt aus dem Custombike MagazinDem Kern dieser Aussage, der in weiten Bereichen einer auf technischen Fortschritt, Wohlstand und Bequemlichkeit ausgerichteten westeuropäischen Gesellschaft zu entsprechen scheint und im Rahmen dieser Gesellschaft wenn auch mit Einschränkungen, durchaus Bestand haben wird, dürfte die Summe der Leser des Custombike Magazins wohl energisch wiedersprechen.
Nun habe ich in der Position eines Autors von Artikeln zur Custombike Szene immer wieder mit faszinierenden Menschen zu tun, die auf ihrem Lebensweg das Thema des Custombikes als Ausdrucksform ihrer persönlichen Kreativität entdeckt und weiterentwickelt haben und bin immer wieder erstaunt und begeistert über die mit diesem Thema verbundenen Sichtweisen und der kreative Vielschichtigkeit.
Eine beständig steigende Zahl interessierter und überaus kreativ arbeitender Persönlichkeiten aller Alters- und Gesellschaftsschichten, die damit beschäftigt sind, die im Denken nachvollziehbaren und vor allem körperlich greifbaren mechanischen Bereiche eines antiquiert scheinenden und damit längst ad Akta gelegten Themas neu zu entdecken und sich darüber zunehmend mit den Gedanken anfreunden, eigene Aktivitäten in der ausgeprägt körperlichen Welt des Selbstschraubens zu entwickeln.

Damit braucht der eine oder andere offensichtlich sehr wohl ein Motorrad.  Ein Motorrad, fern jedes Serienzustandes. Ein Motorrad, das jedem entwicklungstechnischen Fortschritt der Gegenwart zu wiedersprechen scheint, gerade weil es unter Einbringung der eigenen Kreativität und dem Einsatz der eingeschränkten Mitteln, die eine Hinterhofschrauberbude in der Regel bietet, von einem Serienmotorrad zu einem personifizierten und damit einzigartigen Fahrzeug gewandelt wurde.
Als ein Szenewanderer auf der theoretischen Ebene über dieses Thema zu schreiben, ist eine Sache, während der Entschluss selber Hand an ein Motorrad zu legen, eine gänzlich andere Sache darstellt. In meinem Entschluss, an dieser Stelle von der Position eines am Rande stehenden Betrachters in das Lager der aktiven Schrauber zu wechseln, stellt mein besonderes Interesse an der Schrauberkultur des Ruhrpotts, einen wesentlichen Aspekt dar.
B 1, das ist die eher schlichte Bezeichnung einer Straße, die nicht nur viel gesehen, nicht nur viel erlebt, sondern ebenso wie die Menschen die sie miteinander verbindet, unendliche Wandlungen erfahren hat. Eine Straße die von Dortmund, über Bochum und Essen bis Duisburg als der sogenannte Ruhrschnellweg  die Städte entlang der Ruhr wie die Perlen einer Schnur aufreiht, sie miteinander verbindet und so ihren Beitrag zur ganz speziellen Atmosphäre des Ruhrgebiets leistet, das die hier lebenden Menschen kurz und doch liebevoll als den Pott bezeichnen.
Betrachtet man lediglich die Oberfläche der Wandlung, die dieser Pott in den letzten Jahrzehnten erfahren hat, dann hat der Zeitraum eines halben Jahrhunderts genügt, um das Bild dieser Oberfläche radikal zu verändern. Die, die Region des Potts einst prägenden Kohlenschlote haben längst aufgehört, der Luft ihre ganz spezielle Geschmacksnote zu verleihen. Kohlegruben wurden verfüllt, Stahlkocher und Walzwerke haben nahezu vollständig aufgehört zu existieren und das wenige das blieb, dient heute als eine, weit über die Landesgrenzen hinaus gelobte Industriekultur. Ein industrielles Abenteuerland, das am Rande der ehemaligen B 1 an eben diesen Geschmack der alten Zeiten erinnern und gleichzeitig das Interesse für das neue Bewusstsein der Region wecken soll. Die Entwicklung kreativer Denkansätze scheint in den Köpfen der neuen, urbanen Gestalter nicht nur gefragt, sondern auch ausdrücklich gewünscht und auch wenn sich das Schrauben an alten Motorrädern nur schwer in das Denkmuster eines, Kopf gesteuerten gesellschaftlichen Fortschritts fügt, gehört es zum neuen Gesicht des Potts.
Dabei wird es als Thema jedoch keineswegs in allen Bereichen komplett neu entdeckt, sondern gehört quer durch alle Gesellschaftsschichten zum kollektiven Gedächtnis des Potts und seiner Menschen. Auf Maloche ging es in den frühen Jahren des Wirtschaftsaufschwungs der Nachkriegszeit in der Regel mit dem Moped oder dem, für kleines Geld erstandenen Gebrauchtwagen und weil die meisten dieser meist günstig erstandenen Fahrzeuge alt waren, verlangten sie nicht nur eine besondere Zuwendung, sondern mussten auch beständig beschraubt werden, um sie ans Laufen zu bringen und in Bewegung zu halten. Und so existieren in nahezu jeder Familie des Potts Geschichten vom Opa, dem Vater oder einem Onkel der in irgendeinem Keller oder irgendeinem Hinterhofschuppen mehr oder weniger erfolgreich in Eigenregie an seinem Fahrzeug geschraubt hat.
Auf der Basis dieser Geschichten, ist es nur noch ein kleiner Schritt, das zum gegenwärtigen Zeitpunkt entstehende kreative Vakuum mit den Inhalten des Selberschraubens zu füllen, die Hand ans Werkzeug zu legen, um ein eigenes Projekt ins Leben zu rufen und sich mit Hilfe dieses Projektes auf eine Reise zu begeben.
Mein an dieser Stelle beschriebenes Projekt ist mit dem Namen Akashi Sweets überschrieben, weil die für dieses Projekt gewählte Basis ihre Wurzeln in den Kawasaki Hallen in Akashi/Kobe findet. Allerdings dürfte die von mir vorgesehene Kawasaki GPZ 550 nicht gerade als die optimale Basis eines Custombikes betrachtet werden. Als eines der, in den 80ger Jahren typischem "Brot und Butter" Mopeds, bestand seine Aufgabe ursprünglich darin seinen Besitzer zuverlässig von A nach B bringen und obwohl es mit allen technischen Errungenschaften seiner Zeit aufwarten konnte, kann es seine angestaubte Bürgerlichkeit kaum verbergen.
Als ich sie für 250,- Euro von einem Bekannten übernahm, hatte sie knapp 63000 zuverlässig abgeleistete Kilometer auf der Uhr und obwohl technisch angeblich in einem guten Zustand sein sollte, streckte sie bereits bei der Demontage der Verkleidung die Flügel. Die Entscheidung lag nahe, den Kaufpreis im Sinne der Vernunft einfach abzuschreiben und die Kiste dem wöchentlich durchfahrenden Alteisensammler zuzuführen. Nun, statt für den Schrott, endschied ich mich dazu, mich mit ihr dem Fukker Wettbewerb des Custombike Magazins zu stellen, mit ein neues Erfahrungsfeld zu öffnen und der GPZ eine Aufmerksamkeit  zu verschaffen, die sie in ihrer ursprünglichen Form wohl nie bekommen würde.      
Obwohl ich mich im Rahmen meines Vorhabens als Einzelschrauber verstehe, werde ich über den Zeitraum des laufenden Wettbewerbs auf Hilfe angewiesen sein und mich dabei auf eine Reise begeben. Eine Reise, die mich und die Leser meiner Beiträge quer durch das Ruhrgebiet führen wird, um uns mit einigen der Persönlichkeiten bekannt zu machen, die sich über die Arbeit an ihren eigenen personifizierten Custombikes einen Freiraum geschaffen und ihren kreativen Gedanken eine motorisiertes Grundgerüst und damit auch die Möglichkeit der freien Bewegung verliehen und darüber einen Namen geschaffen haben.
Welchen Stil ich dabei anstrebe? Wenn ich über diese Frage nachdenke, dann würde ich sagen, dass ich keinen der etablierten Stile anstrebe und mich stattdessen lieber vom Augenblick und den sich mir in den kommenden Wochen und Monaten bietenden Möglichkeiten inspirieren lasse und gespannt bin, wie weit ich damit komme!

Text und Fotos: Gasolin Alley Garage