Auf dem Weg

Frank Hoppe, Natur- und Landschaftsführer.
Nachdem ich vom 01.Mai bis zum 22. September 2016 von Wuppertal, nach Santiago de Compostela und darüber hinaus gelaufen bin, bearbeite ich nachfolgenden, geblogten Reisebericht um ihn in Buchform zu bringen. Darüber hinaus werde ich diese Plattform nutzen, um weiterhin über meine Freizeitaktivitäten in der Natur zu berichten und wissenswertes weiterzugeben. Schaut hin und wieder mal rein, oder gebt der Facebook-Seite "Wandern-in-und-um-Wuppertal" ein Gefällt mir. Dann bekommt Ihr automatisch Bescheid, wenn es etwas Neues gibt!
Ich bin noch schön den Tag auf dem Campingplatz geblieben, alles ist trocken geworden, ich hab noch ein wenig in der Sonne gelegen, die Ausrüstung sortiert...

Saint-Pierre-le-Moûtier Heute wollte ich bei sehr schönem Wetter die 22 km von Saint-Pierre-le-Moûtier nach Lurcy-Levis laufen. Nicht nur, dass es gestern nicht mehr geregnet hat und die Sonne rot unter ging, sie beschien sogar ab 7.15 h das Zelt. Strahlend blauer Himmel, mit super Temperatur, leichter Wind.
Gegen halb zwei hielt neben mir auf der Landstraße ein Fahrzeug und der Fahrer fragte, ob ich ein Stück mit wolle. Heute hatte ich zwar nicht vor zu trampen, wollte aber einen von Gott gesandten nicht abweisen. Er nahm mich bis Lurcy-Levis mit. Ich bin von da aus 10 km weiter gelaufen, sodass die 22 km erreicht wurden.
Und im Gegensatz zu Lurcy-Levis, gibt es hier auch eine günstige Übernachtungsmöglichkeit.
Morgen stehen zur Auswahl 18 km mit Pilgerherberge oder 30 km mit Zeltplatz. Ich tangieren zu 20 km laufen um dann auf eine Mitfahrgelegenheit zu hoffen.
Neue Blüten am Wegesrand. Heute Johanniskraut.Johanniskraut Hypericum Perforatum
Das Johanniskraut hat fünf gelbe, spitze Blütenblätter. Wer unsicher ist, nimmt eine Blüte und zerreibt sie zwischen den Fingern. Sind die Finger rot, dann handelt es sich um Johanniskraut. Und wer Glück hat, findet in der Nähe Schachtelhalm. Den zwischen den roten Fingern zerrieben und die Finger werden wieder sauber.
Es war wie erhofft, ich bin ca. 20 km gelaufen, um mich dann mit Daumen hoch an die Straße zu stellen. Hat diesmal etwas länger gedauert und angehalten hat ein deutschsprachiger Straßburger, der hier ein Häuschen hat. Er selbst ist von Vézelay aus nach Santiago gegangen. Den Küstenweg? Mal abgesehen davon, dass es dort hoch und runter geht, ist das doch nicht der echte Weg.
Was er wohl nicht weiß, dass zu Beginn der Pilgerreisen nach Santiago de Compostela, der größte Teil Spaniens unter maurische Herrschaft stand und der jetzige Hauptweg nicht begehbar war. Erst im Zuge der Rückeroberung, der Reconquista wurde der Weg für Christen zugänglich und erst als sich Ritter der Sicherung des Weges verpflichteten, auch wirklich begehbar. Bis dahin aber, war der Küstenweg der offizielle Camino, der offizielle Weg.
Der freundliche Herr wollte mich zum Campingplatz bringen, kannte aber den Weg nicht, also fuhr ich mit ihm zum Baustoffhandel, er brauchte Zement für sein Häuschen, damit ihm dort der Weg zum Campingplatz erklärt werden konnte. Er meinte, dass er es jetzt wüsste und wenn ich Zeit hätte würde er mit mir noch die Abtei in der Nähe zeigen. Konnte ich nein sagen? War aber auch eine wirklich beeindruckende Gesamtanlage.
Und weil es gerade so schön war, fuhren wir in einen direkt angrenzenden Ort, in dem es eineine romanische Kirche gibt, mit einem tausend Jahre alten Kreuz. Kreuz war zur Restaurierung weg.
Nach drei Runden durch die Stadt, merkten wir, dass es zwei Campingplätze gibt. Er wollte mich auf keinen Fall raus lassen bevor wir nicht den Richtigen gefunden haben. Den, zu dem man uns bisher geschickt hatte, den gab es gar nicht mehr. Er soll mich ruhig in der Stadt raus lassen, ich hatte nämlich meine Bersorgnisse bezüglich des Campingplatzes. Er war in seiner Ehre gepackt mich zu diesem einen Campingplatz zu bringen. Wir fanden ihn dann auch tatsächlich. Wir verabschiedeten uns und ich stand, in meinen Bersorgnisse bestätigt vor dem Campingplatz.
Um meine Bersorgnisse zu erklären, muss ich noch mal zu meinem sehr spartanischen Frühstück zurück. Ich dachte noch, ein paar Scheiben gerösteten Weißbrot, etwas Butter und ein Döschen Konfitüre okay, nehme ich mir gleich ein halbes von den vielen frischen Baguettes mit. Gesagt getan, Ein schrilles, no, no Monsieur! Äh, für unterwegs, ich bezahle es. Nein, nicht möglich, alle vorbestellt. Alle? Alle! Ich hatte zwei Tage zuvor gezeltet, gestern war Sonntag, meine Vorräte komplett aufgebraucht. Nein, ich wünschte ihr nicht die Pest an den Hals, nur eine Familie die vergessen hat ihren Urlaub anzumelden und ihre fünf Baguettes nicht abholen kann. Ich freute mich umso mehr auf die etwas größere Ortschaft, in der ich einkaufen konnte. Hatte ich vorher schon irgendwo mal erwähnt, dass der montägige Ruhetag, im ländlichen Bereich konsequent eingehalten wird? Sch...! Am Ende der 20 km bekam ich dann doch wenigstens ein Bruchetta, von Hotel de l'Ecu Saint-Amand-Montrondeiner Restaurantbesitzerin, die zwar Pause machen wollte, aber wohl Mitleid hatte.
So und jetzt zu meinen Bersorgnissen: Der Campingplatz ist cirka vier Kilometer außerhalb, hat außer einer Langnesetruhe keinerlei Lebensmittel und ich brauchte dringend etwas Nahrung. Ich dachte eigentlich, dass die europäische Bewertung Standards unterliegt, ich weiß aber wirklich nicht für was dieser Platz drei Sterne bekommen hat. Also humpel ich zurück zur Stadt, suche mir in der Nebenstraße ein Hotel, das Rabatt an Pilger gibt und zudem total nett ist.

Heute, am Dienstag ist es etwas nieselig. Und ich tat gut daran, diesen Niesel mit Tagebuch und bei einem Kännchen Tee abzuwarten, denn jetzt um 11.00 h, klärt es auf. Na dann, mal auf! Mit Frohsinn gesegnet!
Mit dem Frohsinn hat es dann auch gut geklappt! Gegen 15.00 h hatte ich 18 km hinter mir und war guter Dinge. Bis zum nächsten Campingplatz waren es noch 12 km und auf der Straße dorthin so gut wie kein Verkehr. Dann lauf ich bis es nicht mehr geht und baue mein Zelt in der Walachei auf. Drittes Fahrzeug, Sprinter, Pärchen im Alter meiner Mutter, also Ende sechzig Anfang siebzig. Die komplette Ladefläche zur Spielwiese für drei Yorkshire umgestaltet, aber mein Rucksack durfte noch dazu.
Nach woher und wohin, ließ sich die Frau meine nächsten Etappen zeigen und sagte, dass sie mich auch eine Etappe weiter mitnehmen können. Will ich die Leute vor den Kopf stoßen? So bin ich jetzt am Mittwoch, in Châteaumeillant. Es ist elf Uhr und ich trinke Tee. Der Campingplatz ist sehr schön Wandgemälde der Touristeninfo Châteaumeillant an einem See gelegen und hat eine angenehme Atmosphäre. In der Fernsehbaracke habe ich mir mein Abendessen gemacht und als ich gespült und mich Schlafsackfertig gemacht hatte kam eine ältere Französin mit einem Alufolienpäckchen auf mich zu. Ich dachte noch, Herr lass es kein Schnitzel sein, da fragte sie mich ob ich Crêpes mag. Ich liebe Crêpes und habe sie seit Jahren wegen der Eier nicht gegessen. Zwei habe ich sofort verdrückt, den dritten wollte ich zum Frühstück esssen. Aber habe es dann doch wegen des nächtlichen Grummelns besser sein gelassen.
Erschüttert im Innersten, in der Überzeugung wankend, obwohl noch nichts passiert ist, was es nach außen rechtferigen würde. Allein die Feststellung dermaßen in der Komfortzone festzuhängen, ist für mich ausgesprochen schwer zu akzeptieren. Und letztendlich ist das auch der eigentliche Grund meines derzeitigen Tiefgangs.
Denn ansonsten ist nichts geschehen was ihn rechtfertigen würde. Ganz im Gegenteil bzw. ganz im Besonderen. Gestern Morgen bin ich in Vézelay los, es war stark bewölkt und trocken. Die schönen Wege waren wegen des nächtlichen Starkregens wieder schwer aufgeweicht und teilweise noch überschwemmt, sodass ich die zweite Hälfte meines Weges wieder auf der Straße zurückgelegt habe. Das Dorf Bazoches-du Morgan wurde mit zwei Übernachtungsmöglichkeiten angekündigt, die aber eher Ferienwohnungen für eine Woche vermieten. Der letzte Bauer, es waren Ferien auf dem Bauernhof, sagte mir aber, dass es noch eine dritte Stelle im Ort gibt. Ein Restaurant mit Hotelzimmern und wie sich herausstellte seit 10 Jahren jährlich als Wanderhotel prämiert. Zu!
Eine freundliche Anwohnern teilte mir mit, dass das Restaurant nur Mittwoch bis Freitag geöffnet hat und wann heute jemand kommt... Ob ich denn etwas bräuchte? Ergo: Auch wenn es nicht so läuft wie ich es mir vorstelle, wäre ich versorgt gewesen. Diese Frau hätte mir Wasser und bestimmt auch ein Stück Brot gegeben, ich habe ein Zelt, Matte, Schlafsack und Kocher. Es wären keinerlei existenzielle Probleme zu erwarten gewesen. Die Erfahrungen der letzten Wochen, wenn es mal längere Etappen mit wilden campen gegeben hat: Ich bin jedesmal so gerädert aus diesem Zelt gekrochen, dass ich mich Abends fühlte, als hätte ich die Etappe doch an einem Tag gelaufen. Was bestimmt dem untrainierten Alter geschuldet ist. Aber was ändert es an der Tatsache, dass es so wie ich es mir vorgestellt habe in keinem Falle funktionieren kann. Was mich am meisten enttäuscht und derzeitig unglaublich frustriert ist, so glaube ich, die massive Fehleinschätzung, meiner selbst!
Dabei läuft alles gut, ich bin gesund, komme immer dahin wo ich hin will. Gestern stand ich in Bozoches-du-Morvan, zwar etwas länger als die zwei Male vorher, aber dennoch absolut überschaubar. Ich wurde mitgenommen und eine Etappe weiter abgesetzt. Hier gibt Pilgerherberge und Campingplatz, sagt der Wanderführer. Okay,s age ich mir, es ist eine nicht so große Herberge, lass dich drauf ein, du musst es ja mal lernen, mit der Gemeinschaft der Pilger und so. Die Herberge gibt es nicht mehr, sagte mir eine freundliche Frau im Sozialen Zentrum, aber hier ist eine Adresse, dort werden gelegentlich Pilger aufgenommen, soll anrufen? Nein, Danke ich gehe zum Campingplatz. Campingplatz ? Der ist 4 km entfernt in... Super! Soviel zum neuen Wanderführer. Die letzten zwei, Köln - Trier und Trier - Vézelay wurden von einer Frau Retterath geschrieben. Ausgesprochen präzise und Detail freundlich. Z.B. wurde immer darauf hin gewiesen, wie weit eine Übernachtungsmöglichkeit vom Pilgerweg entfernt ist. Das dritte Buch von Herrn Fügen, fängt bereits mit den Worten an, dass nur die Campingplätze aufgeführt werden, die kleine Hütten oder ähnliches vermieten, weil sich ein Pilger schließlich nicht mit einem Zelt abschleppt. Dafür könnte ich das Buch schon in den Gulli schmeißen. Und wenn jetzt noch dazu kommt, dass die Campingplätze Gott wer weiß wo sind.... Boah!
Straßencafé Heute ist strahlend blauer Himmel, nicht eine Wolke am Himmel. Ich sitze am befahrenen Rathausplatz auf einer beschirmten Terrasse und warte auf den Bus. Warte auf den Bus? Warte auf den Bus, den ich gestern bestellen musste, der um 12.40 h zum Hotel kommt. Ich habe drei mal nachgefragt. Cinq Euro? Bestellter Bus und nur fünf Euro? Für 90 km? Dann lasse ich mich mal überraschen, wobei sie nicht zu groß sein muss, die Überraschung. Die Fahrt soll zwei Stunden dauern, es gibt acht Haltepunkte und kann ganz schön werden. Hoffentlich rast der Fahrer nicht so, ich habe festgestellt, dass ich diese Geschwindigkeiten überhaupt nicht mehr gewöhnt bin.
Ich habe in der vergangenen Woche einige Sachen bestellt, unter anderem ....egal und diese nach Nevers schicken lassen. Auch die neuen Schuhe von Wolfskin sollen dort ankommen. Nun ist es so, dass das gerissene Fersenfutter ständig drückt und dass das schöne Wetter nur zwei Tage halten soll. Also, dachte ich mir den Bus zu nehmen um die Pakete zeitnah abzuholen. Außerdem spare ich drei Übernachtungen.
Um noch mal auf den momentanen Starkfrust zurückzukommen: Ich habe mit keiner Sekunde meine Reise bereut und finde es absolut gut und richtig es getan zu haben. Auch die fast völlig Aufgabe materieller Dinge, von denen man sich in der Regel zu Lebzeiten nicht trennt, hinlässt nach wie vor ein sehr befreiendes, leichtes Lebensgefühl. Ich denke auch nicht daran abzubrechen, allerdings schon über eine deutliche Änderung nach. Die zum Beispiel so aussehen könnte, dass ich mich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln auf den Weg zur spanischen Grenze mache, um den eigentlichen Camino in Spanien zu laufen, um so mit dem noch vorhandenen Restgeld auszukommen. Das mit dem unterwegs Arbeit annehmen.... Zum Sommerende, Herbstanfang hin, wenn es an die Erntearbeiten geht, kann es mir, auch als nicht französisch Sprechender möglich sein ein paar Euro zu machen, aber nicht jetzt. Und ich glaube, ankommen, auch wenn dann nicht mehr nur der Weg das Ziel ist, möchte ich schon !

Ankommen... Normalerweise fährt der Personensprinter, der einen Tag vorher bestellt werden muss, um 12.15 h und hätte noch fünf Haltestellen anzufahren, um dann um 13.10 h in Saint-Saulge zu sein, damit ich mit dem Linienbus weiter nach Nevers fahren kann. Da sich keiner außer mir gemeldet hat, holte er mich um 12.45 h ab und schaffte die Strecke in 15 Minuten. Der Linienbus kostete 2,00 € und war knapp anderthalb Stunden unterwegs. In der Zeit kann man mit dem Flieger auch von Düsseldorf nach Malle fliegen, mit Rückenwind. Ja, aber dafür ist es nicht so schön grün die ganze Zeit über. Und wenn doch mal, dann ist ganz gehörig was schief gegangen und Du kannst niemanden mehr davon erzählen. Dafür habe ich mir bei meiner Busfahrt die Anspannung von den Start- und Landevorgängen erspart. Denkst Du. Die beiden Vorgänge hat der Sprinterfahrer mehrfach kompensieren können. Wie soll ich es beschreiben. Er schien die Strecke zu kennen, wusste wann er doch mal die zweite Hand ans Lenkrad nehmen musste und wann er vom Gas gehen musste. Das waren nicht etwas Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Ortseingangsschilder, sondern ausschließlich wenn die Straßenführung es erforderlich machte. Oder ein langsamer fahrendes Fahrzeug. Kurzes Durchatmen. Wiederrum entspannt es nur kurz, denn jetzt kommt die Gefahr des entgegenkommenden Verkehrs.
Ich war frisch geduscht, und stank dennoch wie ein Otter. Purer Panikschweiß. Abschließend bleibt zu sagen, wenn zukünftig jemand mit mir Achterbahn fahren möchte, was ich eigentlich nicht tue, uneigentlich gibt es da Ausnahmen, könnte er mich mit Hinweis auf diese Sprinterfahrt vielleicht überreden. Die Streckenführung ist bekannt, dauert zwei Minuten und es kann in der Regel niemand entgegen kommen.
Sooho. Ich bin jetzt in Nevers in der kleinen, privaten Pilgerherberge. Maximal überschaubare vier Personen. Zur Zeit sind wir zu zweit. Dieter aus Konstanz (Name und Stadt sind geändert) ist seit gestern hier! Die Herberge ist recht weit außerhalb, sodass ich vom Bahnhof aus erst mal zur Post gegangen bin um festzustellen, dass noch kein Paket angekommen ist. Aber es ist ein zumindestens normaler Vorgang. Ich fragte ob ein postlagerndes Paket für mich da sei, die Angestellte sieht nach meinem Namen auf dem Ausweis und geht nachsehen. Vielleicht morgen. In dieser Pilgerherberge darf ich auch mehrere Tage bleiben. In den offiziellen nur eine Nacht. Und weil sie so abgelegen ist, gibt es hier Essenvorräte, die gekauft werden können. Ich denke, dass ich mir heute das Glas vegetarische Bioravioli warm machen werde. Und für morgen Abend kaufe ich ein, weil ich eh nach dem Paket sehen muss. Und da es morgen noch mal Saharawetter geben soll, werde ich die Chance nutzen und mich ans Ufer der Loire setzen und etwas Musik hören.
Die Herbergen, die ich bisher mit bekommen habe, strahlen eine ganz besondere Atmosphäre aus. Was unter Umständen darauf zurück zu führen ist, dass die Menschen die solche Herbergen in ihren Privaten Bereichen, auf ihrem privaten Grundstücken erschaffen und am Laufen halten, selbst besonders sein müssen und diese positive Energien, sind deutlich spürbar. Mir jedenfalls geht es so, dass ich mich innerhalb kürzester Zeit in einen sehr friedvollem Zustand befinde.

23. Juni

Ich habe mir gestern das Glas Bioravioli warm gemacht und dazu etwas Rotwein getrunken. Als Dieter aus der Stadt zurück kam, hat er ein Glas Wein mit getrunken und wir haben uns eine ganze Weile gut unterhalten.
Dieter wollte heute früh los, weil es wieder so extrem warm werden soll und bereitete seinen Rucksack vor. Das heißt: Er legt jedes Teil ordentlich nebeneinander auf das freie Bett neben ihn und läßt es so liegen. Das hatte ich überhaupt nicht so realisiert. Morgen früh wird es dann etwas unruhig, sagte er! Worauf ich antwortete, dass ich mich danach umdrehen kann. Also wie würdet Ihr vorgehen? Jeder halbwegs vernunftbegabter Mensch, würde doch, gerade wenn man nur zu zweit ist, den Rucksack in die Küche bringen, wenn er die Aufteilung der Einzelteile vielleich zwanghaft braucht, diese auf den nicht mehr benutzten Küchentisch trapieren. So könnte man, wenn sich der Wecker meldet, diesen ausmachen und mit dem Schlafsack aus dem Schlafraum schleichen...
Abends 22.30 h, wir gehen zeitgleich zu Bett. Ich liege auf dem Schlafsack unglaublich warm, das Thermometer hat gerade noch 28°C angezeigt. Einen Tag vorher habe ich noch gefroren.
Dieter kommt mit Stirnlampe rein, macht das Licht aus und stellt mit brennender Stirnlampe seinen Wecker... Okay... Dieter macht auch bei jeder kleinen Bewegung besonders gequälte Atemgeräusche. Ich dachte, die würde er nur machen, weil er aus der warmen Stadt kam. Boah ist das warm, hhhhccch. Man muss sich das vorstellen wie Darth Vader in klein. Nun ist das im Grunde auch nicht störend, jeder hat so seine Eigenarten, wenn er nicht auch zu einer Zeit seinem Gequältsein Ausdruck verleihen würde, wenn er sich mit anderen Menschen in einem Schlafraum befindet.
Bei jeder Bewegung hhhhccch. Und du weißt im Grunde bei jeder Bewegung, was er dir sagen will. Hhhhccch ist mir warm! Hhhhccch kann nicht schlafen. Dabei wird sich so von einer Seite auf die andere geschmissen, wie man es macht, wenn man allein zu Hause in seinem Bett liegt. Zwischenzeitlich wurde dann gegähnt, aber nicht so wie du es machst, wenn du dich mit anderen Leuten in einem Schlafraum befindest. Nein, dieses Uaah-Gähnen, wenn du jemanden zeigen willst, dass du aber jetzt seeehr müde bist.
Er hat aber dann doch zwischendurch geschlafen, was ich zweifelsfrei an Schnarch- und Schmatzgeräuschen feststellen konnte. Und fast immer, wenn ich so langsam selbst rüber trieb, ein hhhhccch-schon-wieder-wach.
Jo, ne Stunde habe ich vielleicht auch geschlafen.
Sechs Uhr Wecker, war ich eh wach. Dreimal kräftig hhhhccch, ein herzhaftes Gähner, der Wecker geht ein zweites Mal an, er setzt sich auf die Bettkante um was zu machen? Dabei zieht er sich an. Warum auch in der Küche? Danach schleppt er die Einzelteile seiner Ausrüstung in die Küche, strahlt mit seiner Halogenstirnlampe nochmals alles ab, auch mein Gesicht und schließt danach die Türe.
Und ich wette er würde es nicht verstehen, wenn es ihm jemand sagen würde. Das ist einer von denen die sowas nicht anders können. Ich stelle jeden Abend im Bett, im Bett den Wecker und wenn es kein Nachtlicht gibt, nehme ich die Stirnlampe. Wo kämen ich hin, wenn ich den Wecker 30 Sekunden vorher bei Deckenlicht einstelle. Ich ziehe mich jeden Morgen auf der Bettkante an und vor allem rasiere ich mich jeden Morgen. Rücksicht schön und gut, aber ich kann mich deswegen nicht abends rasieren. Auch wenn ich mit meinem nnnnääääg-Rasierapparat auch die restlichen Bewohner des Hauses wecke.
Für mich war es die erste Nacht mit fremden Menschen, seit meiner Bundeswehrzeit und ich habe gesagt, dass ich es mir ansehe, deshalb habe ich das Ganze mehr beobachtet. Aber die Herbergen fangen hier erst an und ich denke, dass er damit noch das eine oder andere Mal böse anecken wird.
Letztlich fand ich ich es noch ganz witzig ihm noch fast eine halbe Stunde dabei zuzuhören wie er gähnte, hhhhccch-te, flötete und sich mehrfach fragte, ob er denn alles habe.
Um sieben war die Wohnungstüre zu hören und ich konnte endlich zur Toilette, denn ich glaube, dass ich ihn nicht hätte freundlich ansehen können.
An der Loire Jetzt ist es zehn Uhr, ich habe bereits um halb acht gefrühstückt und werde mich etwas an die Loire legen. Genau, hier ist der Fluss die Loire. Danach komme ich zurück, mache mein Mittagsschläfchen und gehe dann in die Stadt zur Post und für das Abendessen einkaufen.
Es war toll an der Loire, kleiner Sandstrand, Füße mal ins Wasser und dabei Bob Marley in den Ohren. Und da manche, im Alter manchmal vernünftiger werden, bin nach einer Stunde wieder zurück. Habe ein wenig gegessen und kein Mittagsschläfchen gemacht, weil ich dachte, wer weiß was heute Abend noch kommt, dann bin ich wenigstens schön müde. Stattdessen habe ich mal das Bad geputzt. Ein Mindestmaß an Hygiene sollte schon sein!
Gegen 13.00 h bin ich dann in die Stadt, die auch wieder eine Kathedrale hat, in dieser bestechen die Fenster. Ein paar Fotos sind im Anhang.
Sainte Bernadette Anschließend habe ich die heilige Bernadette besucht, die aufgebahrt im unverwesten Zustand, in einem Schneewittchen Sarg lag. Ich bin eine Weile geblieben.
Bernadette wurde 1844 in Lourdes geboren und war maßgeblich am Entstehen der heiligen Quelle in Lourdes mit verantwortlich. 1866 verließ Bernadette die Heimat um sich den Barmherzigen Schwestern in Nevers anzuschließen. Sie verstarb im Sainte Bernadette GlassargJahre 1879 an Knochentubakulose und wurde 1934 heilig gesprochen.
Die Loire-Nähe wurde durch die Konzentration der Schlösser bereits auf den Weg nach Nevers deutlich. Und auch innerhalb der Stadt, hat fast jedes Gebäude, dass mal einem Adligen gehört hat, wenigstens zwei Türmchen. Beidruckend, in diesem Sinne ist der Palais Ducal. Palast der Herzöge von Nevers, mit prächtiger Renaissance-Fassade.
Danach zur Post, mein postlagerndes Paket abholen, um mich danach Freude strahlend in ein Straßencafé zusetzten und eine eiskalte Cola zu trinken. Es hat geklappt. Ich hatte schon befürchtet, dass ich bei den von mir verunglimpften Post-Kiosk-Verkäuferinnen zu Kreuze kriechen müsste. Aber nein! Alles richtig gemacht. Und die die mir dabei in der Ferne geholfen haben erst recht. Um sie einmal namentlich zu nennen. Achim, Angela, Benita und Cyra, wobei die Reihenfolge dem Alphabet geschuldet ist und keiner Wertigkeit!
Jetzt müssen die reklamierten Schuhe zurück und die neuen eingelaufen werden. Oh weh, oh weh!

24. Juni

Tat gar nicht weh! Etwas steif natürlich, aber 17 km ohne Schuh - bzw. Fußprobleme. Der Tag, fing etwas widersprüchlich an. Ich hatte überhaupt keine Lust aufzubrechen, zumal ich noch die anderthalb Kilometer zur Post und wieder zurück musste. Und seit dem Erlebnis mit Dieter weiß ich, dass Herbergen bestimmt nicht die richtige Alternative für mich darstellen. Also doch Zelt!
Gestern bin ich alleine in der Herberge geblieben, dann sind Herbergen okay! Am Morgen habe ich zum ersten Mal WDR2 gehört. Kurz kam mir in den Sinn, ob es nicht besser wäre von dem Restgeld ein Ticket, Bretter für ein neues Bett und ein paar Küchengeräte auszugeben.
Der Herbergsvater kam, ob ich denn die Öffnungszeiten für die Post rausgekommen habe. Nein, aber jetzt, um halb zehn hat sie bestimmt geöffnet. Ich sagte ihm, dass ich zur Post gehe und den Rucksack danach abhole. Ich sagte ihm auch, dass ich jetzt ca. 900 km von meiner Stadt weg sei und derzeit eine Talsohle durchschreite. Nein, derzeit eine Talsohle durchschreite, kann ich nicht auf Französisch, ich hab es gezeigt. Und ich meine verstanden zu haben, dass er sagte, dass es auf einen Tag nicht ankäme. Draußen sprach er leise mit seiner Frau. Dabei braucht man bei mir nur schnell genug sprechen, damit ich nichts verstehe. Flüstern ist eher verräterisch. Anscheinend bin ich nicht mehr so sehr willkommen. Ich packe meinen Rucksack und die Herbergsmutter kommt um alle Kopfkissen mit einem neuen Bezug zu versehen. Ich schnalle mir meinen Rucksack auf den Rücken, Klemme mir das Packet unter den Arm und gehe. Manchmal braucht der Mensch auch einen Tritt in den Hintern.
Erinnert Ihr Euch an den deutschen Postbeamten? Der französische ist nicht besser, klingt nur anders. Ich mit meinen Schuhen zur Post. Ein Paket nach Deutschland bitte. Ich bekam einen großen Aufkleber zum Ausfüllen. Empfängeradresse, alles klar. Absender, meinen Namen. Mit Paket und Aufkleber zum Schalter. Absenderadresse! Ich habe keine Adresse und zeige auf meinen Rucksack. Deutliche Panik in den Augen der Frau und deutlicher Ärger in den meinen. Ja, aber... Vom Nachbarschalter wird das Wort Hotel gerufen. Kurzer Hoffnungsschimmer, den ich jäh zerstörte. Nix Hotel, das da ist meine Adresse und... Ein älter Herr, Typ Vorgesetzter unterbrach das ganze und sagte sie solle die Adresse des Postamtes drauf schreiben. Ich bedankte mich freundlich, nachdem ich gezahlt hatte und ging.
Vor der Post saß ein alter Zausel, lange dünne graue Haare, langer grauer Bart, keine Zähne und mit Gehwägelchen unterwegs. Er profitierte davon, dass ich Wiederholungen nicht dem Zufall zuschreiben. Vorgestern, als ich in Nevers ankam, stand er am Busbahnhof, gestern neben den Supermarkt und heute vor der Post. Also, mache ich ihm eine kleine Freude und gehe danach erst mal einen Petit Café trinken und als ich sah, dass es auch frisch gebrühten Tee gab, hab ich mir noch ein Kännchen frischen Schwarztee bestellt. Und als es dann gegen halb zwölf immer noch nicht gewittern wollte, es sah die ganze Zeit über extrem danach aus, bin ich mal los.
Und wie ich bereits sagte, war ich angenehm überrascht, wie meine Füße mit den neuen Schuhen harmonierten. Nach 17 km kam ich an eine viel befahrene Straße, suchte mir ein gutes Plätzchen, d.h.: Du wirst gut gesehen, es gab bereits vorher Gründe abzubremsen und ganz wichtig, dass hinter dir eine Möglichkeit ist, dass der willige Autofahrer auch halten kann. Diesen Idealplatz habe ich nach kurzer Zeit gefunden und bereits das vierte Fahrzeug hielt und ich bin zum nächsten Campingplatz gebracht worden.
Jetzt liege ich im Zelt, es grummelt und blitzt in der Ferne, aber so richtig entscheiden kann es sich noch nicht. Mal sehen ob ich morgen ein trockenes Zelt einpacken darf.

25. Juni

6.15 h ich sitze fest! Habe mir erst mal einen schönen Brennnesseltee gemacht. Warum um 6.15 h? Weil ich seit 5.00 h weiß, dass der Campingplatz neben einer Güterzugstrecke liegt und um 5.30 h die ersten Camper anfingen zu spülen. Ich selbst nutzte gegen 6.00 h die Gelegenheit, während einer Starkregenpause zur Toilette zu gehen.
Als ich wieder zum Zelt kam nieselte es nur noch leicht und ich dachte, och... Seit 6.15 h trommelt wieder der Regen auf das gut angespannte Zelt. Die Frühspüler haben den Zeltplatz verlassen.
Frühstück Gestern beim Einkaufen dachte ich noch, mir heute morgen frisches Brot zu holen. Zum Glück habe ich noch ein Päckchen Tuc und etwas Käse. Und zum Glück bin ich am 01. Mai mit latenten Übergewicht gestartet, was ich zur Zeit nicht mehr habe.
Acht Uhr, wenn ich richtig mitgezählt habe, sind nur noch die bekloppten Holländer und der bekloppte Deutsche auf dem Platz. Allerdings ist das hier auch nur ein Übernachtungszeltplatz. Nichts in der Nähe wozu es sich lohnt länger zu bleiben.
Ich habe mir etwas Datenroaming gegönnt um bei Wetter.de festzustellen, dass es stündlich trockener werden soll. Morgen und Übermorgen liegt die Regenwahrscheinlichkeit bei sage und schreibe 0,0%. Mal schauen wie ich das Zelt trocken bekomme.
11.30 h, seit 9.00 h hat es nicht mehr geregnet. Nachdem ich mich angezogen habe und dem Platzwart gesagt habe, dass ich wahrscheinlich noch eine Nacht dran hänge. Angezogen habe, habt ihr schon mal einen nicht Yoga praktizierenden 55-jährigen dabei beobachtet, wenn er sich in einem Einmannzelt komplett aus und wieder anzieht? Danach kannste direkt wieder duschen gehen. Aber ich habe es geschafft. War beim Becker, habe etwas für abends eingekauft, es gibt Ratatouille mit Brot und sitze jetzt in einer sehr WLAN-tauglichen Bar.
Die Sonne scheint! Also, ich habe bis 15.00 h Zeit mich zu entscheiden, zu bleiben oder zu gehen. Die Zeltaußenplane wird trocken sein. Die Wäsche, die ich gestern vorwitzig gewaschen und im Waschbereich aufgehangen habe auch?
Kirchenfenster Kathedrale Nevers 1Kirchenfenster Kathedrale Nevers 2Kirchenfenster Kathedrale Nevers 3Kirchenfenster Kathedrale Nevers 4
Johannis steht vor der Türe, esst noch mal Spargel. Übermorgen sollen es 30°C werden. Schön! Und schade, dass es morgen ganztägig regnen soll. Morgen früh um 5.24 h soll es eine musikalische Sonnwendfeier auf der großen Terrasse der Basilika geben. Ich werde mir mal den Wecker auf 5.00 h stellen und wenn es trocken ist, gehe ich mal hin, ansonsten schlafe ich noch ein Stündchen.
Basilika Sainte Magdalene Die Basilika zu Ehren Maria Magdalenas, steht auf dem höchsten Punkt in Vézelay. Sie hat lange geöffnet und als ich sie gestern gegen 21.00 h besuchte, war ich völlig alleine in dieser großen Kirche, in der fast gänzlich auf Schmuck verzichtet wird, die kein einziges farbiges Fenster besitzt und dennoch eine fast schon unnatürlich warme Ausstrahlung besitzt. Es waren sehr bewegende Momente, die ich dort verbringen durfte.

Maria Magdalena hatte eine besondere Nähe und Stellung zu Jesus. Sie soll aus Judäa geflohen und in Aix-en-Provence gestorben sein. Um 800 herum sollen ihre Gebeine nach Vézelay überführt worden sein. Im 13.Jahrhundert aber wurde verbreitet, dass ihre Gebeine in St.-Maximin-la-Saint-Baume liegen. Als dann auch Papst Bonifatius VIII. Das Grab in Saint Maximum als echt erklärte, verlor Vézelay als Wallfahrtsort an Bedeutung.
Die Magdalenen-Reliquien sind in der Krypta zu besichtigen und anzubeten. Da mich ab einem gewissen Zeitpunkt in der Kirche auch eine gewisse Ehrfurcht beschlich, habe ich auf weitere Fotos ins Besondere von den Reliquien verzichtet.

Heute um 13.00 h ist die Stadt wieder voll Besucher, keine drängende Masse, aber schon merklich. Die Pilger sind weg bzw. noch nicht da, und die vielen MotorradfahrerInnen die gestern hier noch unterwegs waren sind arbeiten.
Zur Zeit sind eher die älteren und alten Menschen unterwegs. Eine Schulklasse treibt laut durch die Gassen und senkt den Altersdurchschnitt.
Vézelay selbst ist ein sehr schöner auf Touristen ausgerichteter Ort. Nur ein bis zwei Nippesläden ansonsten Kunstgewerbe mit Schmuckherstellung, ausgefallenen Textilien sowie gemalte und getöpferte Kunst.
Dazu freundliche, kleine Gastronomie wie z.B. dieses ehr schöne Tee- und Kaffeehaus mit einer Breakfast Tea in Vézelay feinen Auswahl an Macarons.
Für Vézelay habe ich als ein wichtiges Etappenziel, von vornherein zwei Aufenthaltstage eingeplant gehabt und es hat sich auch gelohnt.
Jetzt sehe ich mal, dass ich was zu essen bekomme und schaue mal ob sich morgen früh mit der Sonnenwendfeier etwas tut.
Um fünf meldete sich der Wecker, ich öffnete die Schlagläden und da es Sonnenwendfeier heißt, habe ich das Fenster wieder fest verschlossen um die Feuchtigkeit draußen zu lassen und habe mich wieder hingelegt.
Jetzt um acht ist es wenigstens von oben her schon mal trocken und ich hoffe, dass es so bleibt. Damit es gleich weiter Richtung Nevers gehen kann.

AB HEUTE SEHR GESCHÄTZTE LESER, WERDE ICH MEINE BEREITS ANGEKÜNDIGTE SABBATZEIT NEHMEN!
IN DIESER ZEIT WERDE ICH NICHT TELEFONIEREN, EMAILEN, FACEBOOKEN, WHATSAPPEN, BLOGGEN.
SOLLTE DIESE ZEIT LÄNGER DAUERN, WERDE ICH EUCH ZUMINDESTENS EINMAL DIE WOCHE AUF DEM LAUFENDEN HALTEN. ABER VIELLEICHT REICHT EINE WOCHE AUCH.
WIE EBENFALLS BEREITS ERWÄHNT, FREUE ICH MICH SEHR ÜBER DAS GROSSE INTERESSE UND HOFFE, DAS IHR MIR GEWOGEN BLEIBT!

Gottes Segen uns allen!
Am WegesrandDer Weg war beschaulich, es war trocken und angenehm zu gehen. Die ersten fünf Kilometer gings weiter den Kanal lang. Danach war eine wirklich heftige Steigung zu verzeichnen, weil ich aus dem Tal der Yonne über einen Bergrücken ins Tal der Cure gewandert bin. Dort der Cure entlang, bis hierher nach Arcy-sur-Cure.
Morgen sind es dann noch 23 km bis Vézelay, mit insgesamt 550 zu bewältigenden Höhenmeter. Da ich aber hier aller Wahrscheinlichkeit nach frühzeitig weg komme, dürfte das kein Problem werden. 
Gegen 17.00 h kam ich hier auf dem Campingplatz in Arcy-sur-Cure an. Das Tor war auf, es Camping Arcy-sur-curestanden drei Wohnwagen so verteilt, als hätte die letzte Überschwemmung sie so stehengelassen. Die Rezeption geschlossen. Die Sanitäranlagen sauber und beleuchtet. Mmh...
Beim zweiten Hinsehen, sah ich dass die Rezeption Vormittags zwei Stunden und abends von 18.00 bis 20.00 h geöffnet hat. Mehr ist hier auch nicht nötig. Ich wartete in einer Art Festzelt-Pavillon mit Holzboden, Tischen und Seitenplanen. Um 18.00 h kamen zwei junge Leute und vermieteten mir einen Stellplatz für 5,70 €.
Ich ging duschen und machte mir meine Suppe im Pavillon. Ich dachte ja nicht im Traum daran, irgendwo heute ein Zelt aufzubauen. Zumal es gegen acht sowas von gewittert und gegossen hat. Außer mir ist noch eine belgische Familie mit zwei kleinen Kindern hier.
Schlafsack Trailhead 1500 von RobensAlso habe ich soeben die Zeltaußen-Ponchoersatzplane auf den Holzboden gelegt, darauf meine Schlafmatte mit Schlafsack. Es ist sowas von kalt geworden, dass ich hier beim Schreiben geradezu Eisfinger bekomme und froh bin, dass zumindestens meine Schlafausrüstung, die ich von Walkabout gesponsert bekomme habe, richtig hochwertig und funktional ist.
Ich habe bereits ganz zu Anfang etwas dazu geschrieben, möchte es hier nochmals etwas vertiefen, weil es u.U. für den einen oder anderen auch interessant sein könnte.
Den Anfang macht die Schlafmatte. Ich bin wirklich froh, mich für eine aufblasbare entschieden zu haben, weil diese deutlich mehr Komfort bietet als eine herkömmliche Isomatte, auch als eine selbstaufblasende. Und da von Seiten Walkabout nicht geknausert wurde, bin ich im Besitz der EXPED Synmat. Und damit wurde der Komfort optimiert. Der Hersteller spricht von einer Aufblasezeit, von ca. 1,5 Minuten und Dank der großen Füllöffnung mit Rückhaltventil ist das auch Schlafmatte Synmat UL 7 M von EXPED zu erreichen. Sie hat eine Dicke von 7 cm und hält Bodenfrost bis zu -4 °C ab.
"Ja aber bist die Luft raus ist!" Nix! Es gibt ein extra großes Ablassventil. Das wird geöffnet und zwei Sekunden später, ist die Luft draußen beim zusammen rollen, das Ventil geöffnet lassen und die Matte kann in den kleinen Kompressionsbeutel gesteckt werden. Dann hat sie wieder ein Packmaß von ca. 25 cm Höhe und ca. 7 cm im Durchmesser, bei einem Gewicht von 450 g. Und gut aufgeblasen kann sie auch als Schwimmhilfe dienen. Wenn du zu schlapp bist um allein zu schwimmen, oder wenn der Weg durch tiefes Wasser sein muss, Gepäck drauf und vorsichtig auf dem Wasser geschoben. Wer einen guten Schlafsack benötigt, ist mit dem Trailhead sehr gut beraten. Zur Beschreibung einfach mal auf "weiterlesen" klicken.

Der Morgen war kalt und matschig, ich machte mir ein Tomatensüppchen zum Frühstück und freute mich dann doch, dass der Bäcker im Dorf bereits geöffnet hatte. Die Holländerin, die ich gestern bereits einmal getroffen hatte, saß bereits dort und war abmarschbereit.
Seitdem ich nicht mehr rauche, habe ich keinen Kaffee morgens getrunken. Mein erster Morgenkaffee seit über acht Jahren. Ich wahrlose völlig und ertappe mich, dass ich manchmal sehn(süchtig) nach der Tabakauslage schaue.
Orchidee  am Wegesrand Ich ließ der Holländerin 20 Minuten Vorsprung und ging dann, nach der gestrigen Schlammschlacht im Wald und den heftigen Regenfällen der Nacht zur Straße. Och, habe ich gedacht.... Was habe ich mir früher die Füße platt gestanden. Der zweite Wagen bereits hielt und nach dieser Nacht war ich froh keine 23 km laufen zu müssen. Die Dorfjugend hat im Salle de féte, ca. 50 Meter neben dem Campingplatz Scheunenfest gefeiert. Bis 3.00 Uhr morgens. Und richtig tolle Musik. Als allerdings House of Raising Sun lief und die Dorfjugend, noch animiert vom vorletzten BoneyM Titel, laut Schaalalala gröhlte, sah sich der Discjockey doch veranlasst etwas leichtere Musik zu spielen. Die aber auch nicht unbekannt und weniger gut war. Es passte nur besser zu Schalalala. Und den Text beherschten sie jetzt einmal, die Dorfjugend, was sie auch in die Lage versetzte, in den Pausen des Discjockeys weiter zu gröhlen. Gegen sechs ärgerte sich der belgische Junge anscheinend sehr über seine kleine Schwester... Was hab ich bloß getan?
Nun denn, um so froher war ich 10 km mitgenommen zu werden. Der Fahrer wollte nach Avallon, aber da ist eh immer neblig und ich musste nach Vézelay. Und ein bisschen laufen wollte ich schon und den letzten Berg hätte ich ohne diese Hilfe nicht geschafft. Ich habe heute am Montag, das erstemal seit sehr langer Zeit Muskelkater in Waden und Oberschenkel.
Wir unterhielten uns darüber, dass die Kinder aus dem Haus sind... Oh, fünf Kinder 19 bis 33 Jahre, er hat vier der Jüngste 17, die 30-jährige Tochter ist vor zwei Jahren gestorben. Betroffenheit bei mir. Die Chance nutzend erfuhr ich, dass die Großtante mütterlicherseits in Auschwitz ermordet wurde und der Großonkel väterlicherseits bei einem Gefecht mit den Deutschen ums Leben kam. Sein Vater fiel im Algerienkrieg, als er, mein Fahrer noch kein Jahr alt war. Als er am Abzweig Vézelay vorbeirauschte, machte ich mir latent Sorgen. Äh, Vézelay...? Ooh, Vollbremsung, Einfahrt. Vézelay Nein, nicht drehen, ich gehe zu Fuß. Er war auf dem Weg zur Kirche und sollte wegen mir nicht zu spät kommen. Herzlicher Abschied. Und ich versuchte es mal Querfeldein.
Durch ein mir unbekanntes Dorf kommend, fragte ich einen älteren Herrn nach dem Weg nach Vézelay, ließ die Angaben fünf Minuten später von einem jüngeren Mann bestätigen und lief eine sehr schöne Strecke durch Wald und Feld. Bereits anderthalb Stunden vorher war die hoch auf einem Berg liegende Festung von Vézelay zu sehen.
Quendel, FeldthymianIch kam an weiteren Orchideen vorbei und der Quendel, der wilde Thymian oder auch Feldthymian, blühte herrlich. In der Schulebotanik gilt der Quendel als minderwertige, inhaltsarme Thymianart. In der Naturheilkunde und bei Hildegard von Bingen hat er seine speziellen Einsatzgebiete.
Über die Brennnessel, eine meiner Lieblingspflanzen, möchte ich an dieser Stelle nur sagen, dass sie für einige Schmetterlingssorten unerläßliche Eiablage-Pflanzenen sind. Es gibt Schmetterlinge, die ihre Eier ausschließlich auf Brennnesseln ablegen. Keine Brennnesseln, keine Schmetterlinge! So dass im Grunde jeder Brennnessel mit Tagpfauenaugen RaupenGartenbesitzer gefordert ist, eine Ecke den Brennnesseln zu lassen. Es muss ja nicht direkt vor der Terrasse sein. Es handelt sich hier bei auch nicht um irgendwelche unscheinbaren und unbekannte Falter. Es handelt sich hier um die allseits beliebten Zitronenfalter, Tagpfauenauge, kleiner Fuchs um nur drei der insgesamt sieben zu nennen. Wenn ich richtig gegoogelt habe, handelt es sich hier auf dem Bild um die Raupen des Tagpfauenauge.
Nach ca. 10 km kam ich in Asquins an. Von Asquins führte ein stetig ansteigender Weg ins 2 km entfernte Vézelay.
Trödelmarkt in Vézelay Vézelay selbst empfing mich mit einem Stadttrödel, vielen Touristen und Pilger. Am Abend waren die Straßen wie ausgestorben und eine untergehende Sonne verabschiedete den Tag.
Kanal du Nivernais Ich habe mich dann mal gegen 09.30 h auf den Weg gemacht und es war ein schöner Weg am Kanal entlang bis nach Vincelles. Der Campingplatz liegt unmittelbar am Kanal, so dass es morgen ohne Umwege weiter gehen kann.
Bereits um 14.00 h bin ich hier angekommen und habe das Zelt aufgebaut. Es fing an zu regnen und so konnte ich im Zelt mein Couscous Essen. Couscous gibt es hier in jedem Supermarkt und bei jedem Metzger und ist eine schöne Alternative zum Mittagsweißbrot. Einen Tee habe ich mir noch gemacht und getrunken und während es anfing zu schütten, entschlummerte ich sanft in das Mittagsschläfchen. Als ich wach wurde schien die Sonne und ich ging einkaufen. Danach nahm ich meine Schlafmatte und legte mich fein in die Sonne.Northface mit Walnussbaum
Da es anscheinend noch nicht bis hierher durchgedrungen ist, dass der April bereits seit einiger Zeit vorbei ist, wurde es plötzlich dunkel und es fing an zu grummeln. Das schöne wenn du dann auf einem Campingplatz bist, ist, du nimmst dein Tablet und gehst an die Bar, trinkst ein Glas Panasch und lässt das Gewitter in Ruhe vorüberziehen. Das geht im übrigen auch ohne Tablet und mit zum Beispiel einer Cola.
Die Jungs hier haben mir einen Platz ganz in der Ecke gegeben. Als ich den gesehen habe, habe ich gedacht: Neee, der ganze Platz ist leer und ich quetsch mich neben die Mülltonnen.
Ein Stellplatz vorher, steht ein Walnussbaum der mich etwas vor dem Regen schützen kann und überhaupt. Aber die Stunde die ich jetzt hier sitze, sind so viele neue Wohnwagen und Wohnmobile reingefahren, dass ich befürchte doch noch umziehen zu müssen. Oder ich bleibe hier sitzen und lass mir 'n Doofen angehen. Wer war das? Wer hat gesagt, dass mir das nicht schwer fällt? Das Zelt steht so in der Ecke, dass eigentlich ein normal großer Caravan davor passt.

Urlaub auf dem KanalDer Kanal an dem ich gelaufen bin ist etwas kurios, denn eigentlich sind es viele kleine Kanäle und es hat etwas gedauert bis klar war, dass es im Grunde die ganze Zeit an der Yonne lang ging und die kleinen Kanäle dazu dienen, die Stromschnellen, von denen es nicht wenig gibt, zu umschiffen.
Der Kanal Nivernais wurde gebaut um Paris mit Brennholz zu versorgen. Als es im extrem kalten Winter 1782/83 zu ebenso extremer Brennstoffnot kam und etliche Pariser selbst in ihren Wohungen Gefahr liefen zu erfrieren, wurde als Konsequenz daraus dieser Kanal geplant um die Loire, Yonne und Seine zu verbinden und somit die Versorgung zu gewährleisten. Allerdings verzögerte sich der Bau wegen der Revolution und wurde erst 1843 vollständig beendet.
Schleusenwärter ist auch ein schöner Job, ähnlich wie Leuchtturmwart auf einer Hallig, nur nicht ganz so einsam.

Um 5.25 h haben sich zwei Elstern in den Ästen des Walnussbaums über mir gestritten und haben erst aufgehört, als ich den Reißverschluss des Zeltes öffnete. Es hat die Nacht geregnet und ich sitze jetzt hier im überdachten Forum und habe das Zelt zum Trocknen über mehrere Barhocker gehängt.
Am Himmel sind Lichte Stellen zu erkennen, mal schauen... wenn alles gut geht, und warum sollte es nicht, werde ich morgen in Vézelay ankommen.