Sieben Mal hinfallen, acht Mal aufstehen

20171005 Shinya Kimura Chabott Engineering 3Mit der Ankunft in Los Angeles wird es Zeit diesen Blog zu beenden. Wenn Du Amerika erfahren willst, dann musst Du Dich auf die Straße begeben! Diesen Rat habe ich der Vergangenheit befolgt und auch dieser Reise spielte die Straße die zentrale Rolle.

Ich wollte dem Verlauf der 50 von West nach Ost folgen und habe sie bereits nach wenigen hundert Meilen aufgegeben, um anderen Straßen zu folgen. Dass sie mir dann auf dem Rückweg wieder unter die Räder kam und ich ihrem Verlauf dann doch über viele Meilen folgen durfte, betrachte ich als ein Geschenk des Schicksals.

Ich wollte die 66 von Chicago bis zu ihrem Endpunkt an der pazifischen Küste befahren und habe sie verlassen, als mir klar wurde, das sie sich selbst und auch die Menschen die ihr folgen, mit der Illusion einer Illusion nährt.

Im Gegensatz zu dieser Illusion, hat mir die 101 wirklich etwas gegeben. Mein Weg auf dieser Straße begann in den 90er Jahren und obwohl ich sie immer wieder in Teilstücken befahren habe, ist es mir nie gelungen ihr über Los Angeles hinaus bis zur mexikanischen Grenze zu folgen. Diese Möglichkeit wurde mir auf dieser Reise geboten und neben den Erinnerungen, in denen ich mich auf einem Teilstück oberhalb San Franciscos erfahren durfte, erfüllt es mich mit Freude dieser Straße, wenn auch in zeitlichen Unterbrechungen über ihren gesamten Verlauf von der kanadischen Grenze bis nach Mexico gefolgt zu sein.

Ich habe auf meiner Reise viele Menschen getroffen, vieles gesehen und erfahren, einiges verstanden und an vielem gezweifelt. Ich habe mir ein Bild gemacht und trage die Gedanken zu diesem Bild in meiner Erinnerung. Am Ende des Weges treffe ich Dean Micetich, den Herausgeber des Dice Magazins in Los Angeles. Ich habe das Magazin über viele Jahre gemocht. Es gab einem bestimmten Zweig der Chopper Subkultur eine Plattform, bis es selbst so etwas wie ein Kult im Kunstkommerz wurde. Es gab einige andere Magazine, die in eine ähnliche Richtung gingen und doch nie an den Geist der ersten Ausgaben heranreichen konnten.

Nach der 50. Ausgabe habe ich das Magazin dann nicht mehr gekauft. Doch der Verkauf meiner 50 Hefte hat einiges an Geld in meine Reisekasse gespült und damit hat auch Dean einen gewissen Anteil an meinem Weg. Wir unterhalten uns über meinen Weg, der vor etwas über zwei Monaten in San Francisco begann und nun hier in Los Angeles sein Ende findet. Dean scherzt, dass es nun für mich zurück in die harte Realität geht und wir lachen. Es macht keinen Sinn, Dean mit dem Kern meiner Suche und der Tatsache, dass in Deutschland nichts auf mich wartet zu konfrontieren. Sein Blick wird unstet. Auch im Kunstkommerz der Subkulturen ist Zeit Geld und er will oder muss mit was auch immer weitermachen. Wir haben geteilt, was es zu teilen gibt und so entlasse ich Ihn in die harte Realität seines Lebens.

Da mich die Beschäftigung mit dem Sinn des Lebens über den gesamten Weg begleitet hat, möchte ich den Blog nicht schließen, ohne noch einmal auf diesen Sinn eingegangen zu sein.

Als Sohn eines Kranführers und einer Fabrikarbeiterin, habe ich mein bisheriges Leben als Reisender zwischen unterschiedlichen Welten verbracht. Ich habe mich mein ganzes Leben lang zur asiatischen Kultur hingezogen gefühlt und versucht zahlreichen Menschen in der westlichen Welt die Inhalte dieser Kultur näher zu bringen. Das Ineinandergreifen der Wesensdinge meines Weges, lief in einer Selbstverständlichkeit ab, die ich nie in Frage stellte und die doch für außenstehende kaum nachzuvollziehen ist.

Eines der zentralen Probleme des Sinns des Lebens liegt in dem Bedürfnis des Verstehens, an den Weggabelungen an denen das Erfühlen von Bedeutung wäre. Den Sinn des Lebens sehe ich dem Bemühen sein moralisches Ego aufzugeben und sich mit seinem säkularen, seinem ursprünglichen Ich zu verbinden. Es scheint mir so zu sein, das die japanische Kultur den Menschen im Zugang zu diesem ursprünglichen Ich unterstützt, während es sich in der westlichen Welt zunehmend in der Illusion einer möglichen Selbstverwirklichung zu verlieren scheint.

Und so ist es für kein Zufall, das sich der Kreis in Los Angeles in der Begegnung mit drei Japanern schließt. 

Shinya Kimura, gilt im Bereich der Custombikes als Begründer des japanischen Stils, den viele als eine, auf zwei Rädern rollende Übertragung des Samurai Geistes betrachten. Lange, bevor er mit seiner Arbeit in der westlichen Welt wahrgenommen wurde, begeisterte er japanische Motorradenthusiasten mit seinen Interpretationen motorisierter Zweiräder, die am Ende immer einen Spiegel des Sinns seines Lebens darstellen.

Yoshinobu Kosaka wird von vielen schlicht als konzentrierter Sammler und Jäger betrachtet. Ein Mensch, der anhäuft und sich angeblich schlecht trennen kann. Seine Legende besteht in der Annahme, dass er zu Zeiten, in denen sich kaum jemand für den Wert alter Zweiräder begeistern konnte zusammentrug und heute vieles von dem besitzt, was andere begehren. Würde er sich tatsächlich nicht von seinem Besitz trennen können, entspräche dies den Anhaftungen westlichen Denkens. Er öffnet mir sein Reich und ich bin überwältigt. Nachdem ich in nahezu jede Ecke seiner kaum zu überschauenden Hallen gekrochen bin und die Antwort längst kenne, deute ich auf eines der alten Rücklichter, die er in einer Vitrine aufbewahrt und von denen sich ein Sammler und Jäger sicher nur schwer trennen könnte. Zu verkaufen? Sicher! Wenn es der Richtige benötigt!

Go Takamine gilt als Begründer des Brat Styles als der Star einer neuen japanischen Bewegung. Im Gegensatz zu Shinya Kimura, der in Japan nahezu ausschließlich an amerikanischen Motorrädern gearbeitet hat und erst in Amerika damit begann auch Fahrzeuge anderer Marken als Basis seiner Kunst zu nutzen, begann Go Takamine mit kleinen und wendigen japanischen Zweirädern und konzentrierte sich erst in Amerika auf alte Harleys und Indians. Als ich an seine Türe klopfe, stellt sich die Frage, ob ich einen Termin habe. Einen Termin? Nein, einen Termin habe ich nicht! Ich habe eine Karte! Und diese halte ich Ihm der japanischen Tradition entsprechend mit beiden Händen hin. Er nimmt sie mit beiden Händen entgegen und öffnet mir ohne weitere Fragen seine Räume.

Drei Männer, die auf einem sehr einfachen Weg dem Sinn ihres Lebens folgen. Ohne Wenn und Aber. Jeder auf sich selbst gestellt. Künstler, Handwerker, Bewahrer und Entwickler und immer mit allen Sinnen im Hier und Jetzt. 

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