The Hot Rod Hayride 10th Anniversary Show

Old School heißt in Great Britan Vintage und auch sonst ticken die Uhren der Kustom Kulture auf der Insel deutlich entspannter.
Text und Fotos: Peter Su Markus
Die von Jerry Chatabox und seinem Hayride Team ursprünglich als eine, sich auf die Kultur des Hot Roddings konzentrierende Veranstaltung, zog in den vergangenen Jahren zunehmend auch mehr und mehr Biker an und

spätestens mit der, in diesem Jahr veranstalteten Jubiläumsshow, dürfte jedem Besucher klar geworden sein, das die Fraktion der Biker inzwischen einen eigenständigen, sich harmonisch einfügenden Bestandteil des Hot Rod Hayride stellt und sich dort unter der Flagge des Alten Eisens zu einem ganz besonderen Treffen versammelt.

 


Während sich andernorts Veranstalter gedanklich zunehmend mit einem kaum zu kontrollierenden Besucherzuwachs beschäftigen, mit der damit verbundenen kommerziellen Vereinnahmung ihrer Treffen hadern und sich mehr oder weniger erfolgreich darum bemühen, dieser Entwicklung entgegenzuwirken, kennt das Hot Rod Hayride dieses Problem nur vom hören sagen.

Das Warum, ist schnell erklärt! Statt auf das Prinzip der Tageskasse und möglicher Besucherspitzen an den zentralen Veranstaltungstagen zu setzen, ist die Show hier lediglich als Gesamtpaket zum Preis von 65,- £ zu buchen. Der Verkauf der Karten findet über das Internet statt. Tageskarten sind nicht im Angebot und trotz des möglicherweise horrend scheinenden Preises, lautete es auch in diesem Jahr bereits im Mai "Sorry, Sold Out".

Im Rahmen dieser Praxis bleibt nicht nur die Zahl der Teilnehmer klar überschaubar, sondern  bietet dem Veranstalter vorab eine garantierte Einnahmesumme, mit der sich offensichtlich die Show mit allem gebotenen Drum und Dran ohne finanzielles Risiko stemmen lässt. Ein weiterer Vorteil dieser Vorgehensweise besteht darin, dass man zu einem sehr hohen Prozentsatz genau die Zielgruppe anspricht, mit dem man sich hier gerne umgeben mag und sich gleichzeitig die inzwischen so ungeliebten Durchreisenden in Sachen Kustom Kulture vom Hals hält.          

"Bitte stellt eure Fahrzeuge nicht an Stellen ab, an denen Geschossen wird!"

Da ich die Show nicht zu ersten Mal besuche, weiß ich bereits, das es sich bei dem Gelände um den Bisley Pavilion eigentlich um einen Schießübungsplatz handelt und so ist mir das Knallen der Gewehre bereits vertraut, mit denen die, sich in der Kunst des Schießens übenden Mitglieder unterschiedlicher Rifel Clubs, die Rodder und Biker bei der Einfahrt auf das Gelände, lautstark begrüßen.

Obwohl das Hayride offiziell erst am Freitagmittag eingeläutet wird, ist das Gelände schon am Vormittag so gut besucht, dass es dem einen oder anderen Ankommenden bereits schwer fällt, sich einen guten Platz für sein Lager zu sichern.

Während sich der Fahrer einer Corvette müht, den freien Platz in der Nähe der Steilwand des Demon Drome noch vor der ebenfalls suchenden Gruppe ankommender Harleytreiber zu erreichen, sichern sich andere bereits ihren Platz auf der seitlichen Veranda des Bisley Pavilions, der über das gesamte Wochenende einen unverbaubaren Blick auf das Geschehen um die Bikes garantiert, die sich in den nächsten beiden Tagen hier einfinden und ein buntes Bild  ihre geschichtlichen Vergangenheit zeichnen werden. Spätestens am Samstag wird mich das Gefühl beschleichen, das sich manch einer der hier anwesenden Biker an diesem Wochenende tatsächlich nur zum Erwerb von Gerstensaft und der sich anschließenden Entsorgung des Selben von seinem Platz bewegt.    

Insgesamt ist es kein Nachteil, wenn sich der Zweirad Begeisterte an diesem Wochenende auch den Hot Rods gegenüber offen zeigt. In einer schon als magisch zu bezeichnenden Kulisse, die die Gebäude aus den frühen Jahren des vergangenen Jahrhunderts der Show bieten, wird dem interessierten Betrachter eine kaum noch zu überschauende Zahl an schönen Rods aus dem In- und Ausland zur gefälligen Betrachtung vor die Pupillen gerollt. Und wer sich die Mühe macht das riesige Arial zu erkunden dem wird die Möglichkeit geboten, an unzähligen Stellen und aus unterschiedlichen Perspektiven immer neue magische Momente des an diesem Ort gepflegten Hot Roddings und Motorcyclings zu erleben.     

In Bezug auf die Bikes fällt die hohe Zahl der Maschinen englischen Ursprungs auf. Natürlich wird das Bild auch hier von den amerikanischen Eisen geprägt und doch können die großen Namen englischer Motorradtradition wie Triumph, Norton, BSA oder Matchless den Amerikanern durchaus das Wasser reichen. Obwohl sich auf dem europäischen Festland  zunehmend Aufbauten auf XS, SR oder BMW Basis ins Blickfeld schieben, bilden diese auf der Insel noch eher die Ausnahme. Insgesamt, bietet sich dem Betrachter ein ansprechendes Bild hochwertiger und zum Teil extrem sauber gearbeiteter Aufbauten.

Wer jedoch beginnt nach einem erkennbaren Stil zu suchen wird schnell feststellen, dass die Summe der hier präsentierten Bikes schlicht und ergreifend ihren in Ehren vorangeschrittenen Alterungsprozess repräsentieren. So finden sich auch kaum Aufbauten, die sich der Kategorie des reinen Choppers, der Bobber oder der Old School Welle zuordnen lassen. Das meiste was hier zu sehen ist wird unter dem Begriff Vintage bewegt. Das bedeutet, dass die Summe der Bikes vor Jahrzehnten gekauft und seither gefahren wurde. Sie wurden verkauft und weitergefahren und immer mal wieder den Ansprüchen ihrer Besitzer entsprechend individualisiert. So ziemlich alles, was an diesen Bikes alt aussieht, ist es auch und genau darin liegt das ganze Geheimnis. Kaum etwas will hier Old School wirken, es ist Old School oder wie es der Engländer ausdrücken würde, es ist Vintage.         

Während der Bisley Pavilon mit seiner Gastronomie und dem Musiksaal, in dem am Freitag- und am Samstagabend von 20:00 - 02:00 Uhr insgesamt sechs Bands für Stimmung im Stile der frühen Jahre des Rock´n´Roll  sorgten, den zentralen Ort des Geschehens bildet, finden sich überall auf dem Gelände Gruppen zusammen, um ihre ganz eigene Party abzufeiern oder die Abende gedankenverloren vor dem eigenen Grill ausklingen zu lassen.

Wer das komplette Programm nutzen möchte, dem bleibt kaum Zeit durchzuatmen. Neben dem Musikprogramm, wird dem Besucher einiges geboten. Neben der gut sortierten Händlermeile, in der man sich mit allem Eindecken kann, was das Kustom Kulture Herz begehrt, bieten einige namhafte Pinstriper ihre Dienste an. Es gibt eine Circus Freak Show aus den USA und in der Steilwand bringen die Demon Riders im Stundentakt die Luft zum Glühen. Wem Angesichts der Biker, die am Pavilion ihre Reifen in Rauch verwandeln, bereits die Worte fehlen, dem werden spätestens in dem Augenblick, in dem sich einer der Fahrer unter dem Johlen des Publikums seinen Pullover über den Kopf zieht, um im Blindflug über die Steilwand zu knallen, die Sinne entgleisen.

Wem all dies nicht reicht, der macht sich am Samstag auf den Weg, um auf dem 25 Meilen entfernten Oval des Tongham Motor Clubs, dem Motor seines Rods oder seines Bikes und die eigenen Nerven an ihre Grenzen zu bringen. Bevor sich Mensch und Maschine im Staub der Strecke erfahren dürfen, geben die Mitglieder des Clubs, den Fahrern und den Zuschauern mit einer Classic Stock Car Demonstration einen kleinen Vorgeschmack auf die Möglichkeiten oder besser, die Unmöglichkeiten, die ihnen die Strecke in der Folge bietet.

Nachdem sich der Staub dieser Demo gelegt und alles und jeden mit einer feiner Schicht Ehrfurcht überzogen hat, werden zumindest die teilnehmenden Rodder und Biker ihre Fähigkeiten mit gemischten Gefühlen betrachtet haben. Nichts desto trotz nehmen sich einige ein Herz und versuchen ihr Glück. Die kleinen Staubwölkchen, die sie dabei hinter sich herziehen, belegen den Respekt, den der Schotterbelag der Stecke den Fahrern einflößt.

Unter den Bikern findet der Fahrer einer alten, mit winzig Lenker und Suicide Shifter ausgerüsteten Shovel, die besondere Anerkennung des Publikums. Er liefert sich mit dem Fahrer einer sportlich aufgebauten Triumph ein Rennen, das er nur denkbar knapp verliert. Den Abend lässt man dann in gewohnter Weise mit sehen und gesehen werden ausklingen.

Der Sonntag beginnt bereits um 9:00 Uhr mit einem Flohmarkt und während sich die einen noch den Schlaf aus den Augen reiben, schleppen die anderen bereits ihre Beute zurück ins Lager. Mit dem traditionellen Seifenkistenrennen biegt dann auch das diesjährige Hot Rod Hayride in die Zielgerade und läutet das Ende eines, der für mich interessantesten Treffen ein, die die Kustom Kulture in Europa zu bieten hat.
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