05. Juni noch in Colombey-les-deux-Églises

Vor Beginn meiner Reise bin das eine oder andere Mal gefragt worden, ob der Sinn einer solchen Reise nicht die innere Einkehr wäre? Und ob ich es richtig fände, mir mit den Medien Internet, Facebook etc. diese innere Einkehr zu verweigern? Und so was könne ja nicht der Sinn einer solchen Reise sein.
Ich denke, dass diese Form der Wandererschaft schon immer eine Wanderschaft der Gemeinschaft war. Karl der Größe, einer der ersten bekannten Pilger, wäre bestimmt nicht auf die Idee gekommen alleine nach Spanien zu reiten. Und die weniger betuchten haben sich zu Gruppen zusammen getan, damit sie einigermaßen sicher durch den Wald kamen. Wäre ich vor 500 Jahren alleine losgelaufen, hätte ich wahrscheinlich Köln nicht erreicht und würde irgendwo bei Wermelskirchen tot überm Zaun hängen.
Heute kann man sich als Einzelperson relativ sicher auf den Weg machen. Und dennoch ist das allgemein erklärte Ziel, die Gemeinschaft. Es wird davon geschrieben, dass die Herbergen eigentlich ein Muss sind, um die Gemeinschaft der Pilger zu pflegen. Je näher du deinem Ziel kommst, um so häufiger wirst du auf Menschen treffen, mit denen du ein Stück zusammen gehst, heißt es. Will ich das alles?
Auf der anderen Seite ist es so, dass ich sehr viel Zeit mit mir verbringen. Wenn ich teilweise bis zu acht Stunden keiner Menschenseele begegne, habe ich extrem viel Zeit über mich zu meditieren. So dass ich den Kontakt, wie ich ihn mit o.g. Medien pflege, für tragbar halte.
Mal ganz abgesehen davon, habe ich totalen Spaß am Schreiben und wenn ich signalisiert bekomme, dass es gefällt, ist es natürlich um so schöner.
Clairvaux Hotelfenster Jetzt stellte sich die Frage, soll es eher ein Reisebericht werden, oder schon etwas ausführlicher, in Form eines Tagebuchs. Ich habe mich für Letzteres entschlossen, auch wenn es manchmal etwas sehr persönlich wird. Schließlich habe ich ein Stadium in meinem Leben erreicht, in dem ich keine Maske mehr tragen muss. Ich möchte weder Kanzler noch Vorstandsvorsitzender werden, noch buhle ich mit Kollegen um Beförderung und Gehaltserhöhung. Und was die Nachbarn denken, ist mir schon von je her egal gewesen.
So... und deshalb darf mich jeder so sehen wie bin. Manche werden den Spruch aus der Kindheit kennen, wenn sie mal etwas zu ausgelassen waren: "Musst du dich wieder zeigen?" Klare Anwort: "Ja, ja und noch mal ja!"

Ich bin heute hier in Clairvaux angekommen, wo ich bis einschließlich Montag bleibe, in der Hoffnung, dass morgen im Laufe des Tages das Paket von Walkabout ankommt.
Dadurch ist morgen noch Zeit und Gelegenheit, ein paar Sätze zu Colombey-les-deux-Églises und Clairvaux zu schreiben.