Entstehung und Löschung von Furchtreaktionen
John Watson veröffentlichte zusammen mit Rosalie Rayner (1925) einen Aufsatz, in dem sie darstellten, dass emotionale Reaktionen, wie z. B. Furcht, durch klassische Konditionierung zu erwerben sind. In ihrem Experiment zur Furcht-Konditionierung arbeiteten sie mit einem elf Monate alten Jungen namens Albert, den sie als gefühlsarm bezeichneten. Watson zeigte dem Kind eine weiße Ratte, auf die der Junge zunächst nicht mit Furcht reagierte. Fortan folgt der Darbietung des Tieres jedoch stets ein lauter Knall, wobei Watson mit einem Hammer auf ein Stahlrohr schlug. .Nach sieben Versuchsdurchgängen reagierte Albert auf die Ratte mit Furcht, selbst dann, wenn ihrer Darbietung kein Knall folgte. Alberts Furcht übertrug sich auch auf Gegenstände, die einer Ratte ähnelten, so fürchtete er sich z. B. beim Anblick eines Kaninchens oder eines Pelzmantels. Es hatte somit eine Generalisation stattgefunden.
In nachfolgenden Experimenten konnten die Ergebnisse von Watson und Rayner nicht immer bestätigt werden. Tatsächlich enthält diese Studie viele Ungereimtheiten (Samuelson, 1980) und methodische Schwächen. Mittlerweile weiß man, daß einige neutrale Reize (z. B. eine Ratte) sehr viel besser zum konditionierten Auslöser von Furchtreaktionen werden können als andere (z. B. eine Spielzeugente). Erzeugte Konditionierungen bleiben dauerhaft bestehen. Ehemalige Soldaten reagieren beispielsweise noch 15 Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs auf Schlachtfeldgeräusche mit starken Emotionen (Edward und Acker, 1972).
Das Experiment von Watson gilt noch aus einem weiteren Grund als problematisch. Ist es nicht verantwortungslos, solche Studien an Menschen durchzuführen? Massive Kritik ist vor allem angebracht, weil Wissenschaftler ein Kind veranlassten, zunächst eine Furchreaktion zu lernen, die anschließend nicht wieder gelöscht worden ist. Zum Zeitpunkt der Durchführung dieses Experiments waren entsprechende Methoden noch nicht bekannt. Als Watson und Rayner sich entschlossen hatten, Alberts Furcht wieder zu beseitigen, mussten sie feststellen, dass ihre ehemalige Versuchsperson nicht mehr auffindbar war.
Drei Jahre nach dem Experiment fand sich ein Kind, das als "ein etwas älter gewordener Albert" anzusehen war. Mary Cover Jones (Jones, 1924a, b) entdeckte den 34 Monate alten Peter, den sie als gesund und in jeder Hinsicht normal beschreibt. Allerdings zeigte er eine nicht experimentell erzeugte, sondern "natürlich erworbene" übertriebene Furchtreaktion auf Kaninchen, Ratten, Pelzmäntel, Federn und Baumwolle. Zur Behandlung dieser Furcht wurde "unter der Beratung von Dr. Watson" eine Methode angewandt, durch die eine Gegenkonditionierung erfolgt. Dabei wird versucht den konditionierten Auslöserreiz von Furcht (z. B. das Kaninchen) mit einer Verhaltensweise zu verbinden, die mit der Furchtreaktion in Konkurrenz treten kann. Hilfreich war hierbei Peters Vorliebe für Plätzchen und Süßigkeiten. Zu Beginn des Experiments platzierte Jones das Kaninchen in sicherer Entfernung, während Peter seine Leckerbissen naschte. Peter beobachtete das Tier anfänglich mit Vorsicht, setzte aber sein Essverhalten fort. Allmählich wurde das Tier näher an ihn herangebracht. Schließlich verspeiste Peter seine Süßigkeit mit einer Hand, während er das Kaninchen mit der anderen berührte. Jones ging davon aus, daß die Furcht mit dem Essgenus unvereinbar war. Ihr gelang es, die Furchtreaktion des Kindes mit Hilfe der Gegenkonditionierung zur Extinktion zu bringen.