Erschüttert im Innersten, in der Überzeugung wankend, obwohl noch nichts passiert ist, was es nach außen rechtferigen würde. Allein die Feststellung dermaßen in der Komfortzone festzuhängen, ist für mich ausgesprochen schwer zu akzeptieren. Und letztendlich ist das auch der eigentliche Grund meines derzeitigen Tiefgangs.
Denn ansonsten ist nichts geschehen was ihn rechtfertigen würde. Ganz im Gegenteil bzw. ganz im Besonderen. Gestern Morgen bin ich in Vézelay los, es war stark bewölkt und trocken. Die schönen Wege waren wegen des nächtlichen Starkregens wieder schwer aufgeweicht und teilweise noch überschwemmt, sodass ich die zweite Hälfte meines Weges wieder auf der Straße zurückgelegt habe. Das Dorf Bazoches-du Morgan wurde mit zwei Übernachtungsmöglichkeiten angekündigt, die aber eher Ferienwohnungen für eine Woche vermieten. Der letzte Bauer, es waren Ferien auf dem Bauernhof, sagte mir aber, dass es noch eine dritte Stelle im Ort gibt. Ein Restaurant mit Hotelzimmern und wie sich herausstellte seit 10 Jahren jährlich als Wanderhotel prämiert. Zu!
Eine freundliche Anwohnern teilte mir mit, dass das Restaurant nur Mittwoch bis Freitag geöffnet hat und wann heute jemand kommt... Ob ich denn etwas bräuchte? Ergo: Auch wenn es nicht so läuft wie ich es mir vorstelle, wäre ich versorgt gewesen. Diese Frau hätte mir Wasser und bestimmt auch ein Stück Brot gegeben, ich habe ein Zelt, Matte, Schlafsack und Kocher. Es wären keinerlei existenzielle Probleme zu erwarten gewesen. Die Erfahrungen der letzten Wochen, wenn es mal längere Etappen mit wilden campen gegeben hat: Ich bin jedesmal so gerädert aus diesem Zelt gekrochen, dass ich mich Abends fühlte, als hätte ich die Etappe doch an einem Tag gelaufen. Was bestimmt dem untrainierten Alter geschuldet ist. Aber was ändert es an der Tatsache, dass es so wie ich es mir vorgestellt habe in keinem Falle funktionieren kann. Was mich am meisten enttäuscht und derzeitig unglaublich frustriert ist, so glaube ich, die massive Fehleinschätzung, meiner selbst!
Dabei läuft alles gut, ich bin gesund, komme immer dahin wo ich hin will. Gestern stand ich in Bozoches-du-Morvan, zwar etwas länger als die zwei Male vorher, aber dennoch absolut überschaubar. Ich wurde mitgenommen und eine Etappe weiter abgesetzt. Hier gibt Pilgerherberge und Campingplatz, sagt der Wanderführer. Okay,s age ich mir, es ist eine nicht so große Herberge, lass dich drauf ein, du musst es ja mal lernen, mit der Gemeinschaft der Pilger und so. Die Herberge gibt es nicht mehr, sagte mir eine freundliche Frau im Sozialen Zentrum, aber hier ist eine Adresse, dort werden gelegentlich Pilger aufgenommen, soll anrufen? Nein, Danke ich gehe zum Campingplatz. Campingplatz ? Der ist 4 km entfernt in... Super! Soviel zum neuen Wanderführer. Die letzten zwei, Köln - Trier und Trier - Vézelay wurden von einer Frau Retterath geschrieben. Ausgesprochen präzise und Detail freundlich. Z.B. wurde immer darauf hin gewiesen, wie weit eine Übernachtungsmöglichkeit vom Pilgerweg entfernt ist. Das dritte Buch von Herrn Fügen, fängt bereits mit den Worten an, dass nur die Campingplätze aufgeführt werden, die kleine Hütten oder ähnliches vermieten, weil sich ein Pilger schließlich nicht mit einem Zelt abschleppt. Dafür könnte ich das Buch schon in den Gulli schmeißen. Und wenn jetzt noch dazu kommt, dass die Campingplätze Gott wer weiß wo sind.... Boah!
Straßencafé Heute ist strahlend blauer Himmel, nicht eine Wolke am Himmel. Ich sitze am befahrenen Rathausplatz auf einer beschirmten Terrasse und warte auf den Bus. Warte auf den Bus? Warte auf den Bus, den ich gestern bestellen musste, der um 12.40 h zum Hotel kommt. Ich habe drei mal nachgefragt. Cinq Euro? Bestellter Bus und nur fünf Euro? Für 90 km? Dann lasse ich mich mal überraschen, wobei sie nicht zu groß sein muss, die Überraschung. Die Fahrt soll zwei Stunden dauern, es gibt acht Haltepunkte und kann ganz schön werden. Hoffentlich rast der Fahrer nicht so, ich habe festgestellt, dass ich diese Geschwindigkeiten überhaupt nicht mehr gewöhnt bin.
Ich habe in der vergangenen Woche einige Sachen bestellt, unter anderem ....egal und diese nach Nevers schicken lassen. Auch die neuen Schuhe von Wolfskin sollen dort ankommen. Nun ist es so, dass das gerissene Fersenfutter ständig drückt und dass das schöne Wetter nur zwei Tage halten soll. Also, dachte ich mir den Bus zu nehmen um die Pakete zeitnah abzuholen. Außerdem spare ich drei Übernachtungen.
Um noch mal auf den momentanen Starkfrust zurückzukommen: Ich habe mit keiner Sekunde meine Reise bereut und finde es absolut gut und richtig es getan zu haben. Auch die fast völlig Aufgabe materieller Dinge, von denen man sich in der Regel zu Lebzeiten nicht trennt, hinlässt nach wie vor ein sehr befreiendes, leichtes Lebensgefühl. Ich denke auch nicht daran abzubrechen, allerdings schon über eine deutliche Änderung nach. Die zum Beispiel so aussehen könnte, dass ich mich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln auf den Weg zur spanischen Grenze mache, um den eigentlichen Camino in Spanien zu laufen, um so mit dem noch vorhandenen Restgeld auszukommen. Das mit dem unterwegs Arbeit annehmen.... Zum Sommerende, Herbstanfang hin, wenn es an die Erntearbeiten geht, kann es mir, auch als nicht französisch Sprechender möglich sein ein paar Euro zu machen, aber nicht jetzt. Und ich glaube, ankommen, auch wenn dann nicht mehr nur der Weg das Ziel ist, möchte ich schon !

Ankommen... Normalerweise fährt der Personensprinter, der einen Tag vorher bestellt werden muss, um 12.15 h und hätte noch fünf Haltestellen anzufahren, um dann um 13.10 h in Saint-Saulge zu sein, damit ich mit dem Linienbus weiter nach Nevers fahren kann. Da sich keiner außer mir gemeldet hat, holte er mich um 12.45 h ab und schaffte die Strecke in 15 Minuten. Der Linienbus kostete 2,00 € und war knapp anderthalb Stunden unterwegs. In der Zeit kann man mit dem Flieger auch von Düsseldorf nach Malle fliegen, mit Rückenwind. Ja, aber dafür ist es nicht so schön grün die ganze Zeit über. Und wenn doch mal, dann ist ganz gehörig was schief gegangen und Du kannst niemanden mehr davon erzählen. Dafür habe ich mir bei meiner Busfahrt die Anspannung von den Start- und Landevorgängen erspart. Denkst Du. Die beiden Vorgänge hat der Sprinterfahrer mehrfach kompensieren können. Wie soll ich es beschreiben. Er schien die Strecke zu kennen, wusste wann er doch mal die zweite Hand ans Lenkrad nehmen musste und wann er vom Gas gehen musste. Das waren nicht etwas Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Ortseingangsschilder, sondern ausschließlich wenn die Straßenführung es erforderlich machte. Oder ein langsamer fahrendes Fahrzeug. Kurzes Durchatmen. Wiederrum entspannt es nur kurz, denn jetzt kommt die Gefahr des entgegenkommenden Verkehrs.
Ich war frisch geduscht, und stank dennoch wie ein Otter. Purer Panikschweiß. Abschließend bleibt zu sagen, wenn zukünftig jemand mit mir Achterbahn fahren möchte, was ich eigentlich nicht tue, uneigentlich gibt es da Ausnahmen, könnte er mich mit Hinweis auf diese Sprinterfahrt vielleicht überreden. Die Streckenführung ist bekannt, dauert zwei Minuten und es kann in der Regel niemand entgegen kommen.
Sooho. Ich bin jetzt in Nevers in der kleinen, privaten Pilgerherberge. Maximal überschaubare vier Personen. Zur Zeit sind wir zu zweit. Dieter aus Konstanz (Name und Stadt sind geändert) ist seit gestern hier! Die Herberge ist recht weit außerhalb, sodass ich vom Bahnhof aus erst mal zur Post gegangen bin um festzustellen, dass noch kein Paket angekommen ist. Aber es ist ein zumindestens normaler Vorgang. Ich fragte ob ein postlagerndes Paket für mich da sei, die Angestellte sieht nach meinem Namen auf dem Ausweis und geht nachsehen. Vielleicht morgen. In dieser Pilgerherberge darf ich auch mehrere Tage bleiben. In den offiziellen nur eine Nacht. Und weil sie so abgelegen ist, gibt es hier Essenvorräte, die gekauft werden können. Ich denke, dass ich mir heute das Glas vegetarische Bioravioli warm machen werde. Und für morgen Abend kaufe ich ein, weil ich eh nach dem Paket sehen muss. Und da es morgen noch mal Saharawetter geben soll, werde ich die Chance nutzen und mich ans Ufer der Loire setzen und etwas Musik hören.
Die Herbergen, die ich bisher mit bekommen habe, strahlen eine ganz besondere Atmosphäre aus. Was unter Umständen darauf zurück zu führen ist, dass die Menschen die solche Herbergen in ihren Privaten Bereichen, auf ihrem privaten Grundstücken erschaffen und am Laufen halten, selbst besonders sein müssen und diese positive Energien, sind deutlich spürbar. Mir jedenfalls geht es so, dass ich mich innerhalb kürzester Zeit in einen sehr friedvollem Zustand befinde.

23. Juni

Ich habe mir gestern das Glas Bioravioli warm gemacht und dazu etwas Rotwein getrunken. Als Dieter aus der Stadt zurück kam, hat er ein Glas Wein mit getrunken und wir haben uns eine ganze Weile gut unterhalten.
Dieter wollte heute früh los, weil es wieder so extrem warm werden soll und bereitete seinen Rucksack vor. Das heißt: Er legt jedes Teil ordentlich nebeneinander auf das freie Bett neben ihn und läßt es so liegen. Das hatte ich überhaupt nicht so realisiert. Morgen früh wird es dann etwas unruhig, sagte er! Worauf ich antwortete, dass ich mich danach umdrehen kann. Also wie würdet Ihr vorgehen? Jeder halbwegs vernunftbegabter Mensch, würde doch, gerade wenn man nur zu zweit ist, den Rucksack in die Küche bringen, wenn er die Aufteilung der Einzelteile vielleich zwanghaft braucht, diese auf den nicht mehr benutzten Küchentisch trapieren. So könnte man, wenn sich der Wecker meldet, diesen ausmachen und mit dem Schlafsack aus dem Schlafraum schleichen...
Abends 22.30 h, wir gehen zeitgleich zu Bett. Ich liege auf dem Schlafsack unglaublich warm, das Thermometer hat gerade noch 28°C angezeigt. Einen Tag vorher habe ich noch gefroren.
Dieter kommt mit Stirnlampe rein, macht das Licht aus und stellt mit brennender Stirnlampe seinen Wecker... Okay... Dieter macht auch bei jeder kleinen Bewegung besonders gequälte Atemgeräusche. Ich dachte, die würde er nur machen, weil er aus der warmen Stadt kam. Boah ist das warm, hhhhccch. Man muss sich das vorstellen wie Darth Vader in klein. Nun ist das im Grunde auch nicht störend, jeder hat so seine Eigenarten, wenn er nicht auch zu einer Zeit seinem Gequältsein Ausdruck verleihen würde, wenn er sich mit anderen Menschen in einem Schlafraum befindet.
Bei jeder Bewegung hhhhccch. Und du weißt im Grunde bei jeder Bewegung, was er dir sagen will. Hhhhccch ist mir warm! Hhhhccch kann nicht schlafen. Dabei wird sich so von einer Seite auf die andere geschmissen, wie man es macht, wenn man allein zu Hause in seinem Bett liegt. Zwischenzeitlich wurde dann gegähnt, aber nicht so wie du es machst, wenn du dich mit anderen Leuten in einem Schlafraum befindest. Nein, dieses Uaah-Gähnen, wenn du jemanden zeigen willst, dass du aber jetzt seeehr müde bist.
Er hat aber dann doch zwischendurch geschlafen, was ich zweifelsfrei an Schnarch- und Schmatzgeräuschen feststellen konnte. Und fast immer, wenn ich so langsam selbst rüber trieb, ein hhhhccch-schon-wieder-wach.
Jo, ne Stunde habe ich vielleicht auch geschlafen.
Sechs Uhr Wecker, war ich eh wach. Dreimal kräftig hhhhccch, ein herzhaftes Gähner, der Wecker geht ein zweites Mal an, er setzt sich auf die Bettkante um was zu machen? Dabei zieht er sich an. Warum auch in der Küche? Danach schleppt er die Einzelteile seiner Ausrüstung in die Küche, strahlt mit seiner Halogenstirnlampe nochmals alles ab, auch mein Gesicht und schließt danach die Türe.
Und ich wette er würde es nicht verstehen, wenn es ihm jemand sagen würde. Das ist einer von denen die sowas nicht anders können. Ich stelle jeden Abend im Bett, im Bett den Wecker und wenn es kein Nachtlicht gibt, nehme ich die Stirnlampe. Wo kämen ich hin, wenn ich den Wecker 30 Sekunden vorher bei Deckenlicht einstelle. Ich ziehe mich jeden Morgen auf der Bettkante an und vor allem rasiere ich mich jeden Morgen. Rücksicht schön und gut, aber ich kann mich deswegen nicht abends rasieren. Auch wenn ich mit meinem nnnnääääg-Rasierapparat auch die restlichen Bewohner des Hauses wecke.
Für mich war es die erste Nacht mit fremden Menschen, seit meiner Bundeswehrzeit und ich habe gesagt, dass ich es mir ansehe, deshalb habe ich das Ganze mehr beobachtet. Aber die Herbergen fangen hier erst an und ich denke, dass er damit noch das eine oder andere Mal böse anecken wird.
Letztlich fand ich ich es noch ganz witzig ihm noch fast eine halbe Stunde dabei zuzuhören wie er gähnte, hhhhccch-te, flötete und sich mehrfach fragte, ob er denn alles habe.
Um sieben war die Wohnungstüre zu hören und ich konnte endlich zur Toilette, denn ich glaube, dass ich ihn nicht hätte freundlich ansehen können.
An der Loire Jetzt ist es zehn Uhr, ich habe bereits um halb acht gefrühstückt und werde mich etwas an die Loire legen. Genau, hier ist der Fluss die Loire. Danach komme ich zurück, mache mein Mittagsschläfchen und gehe dann in die Stadt zur Post und für das Abendessen einkaufen.
Es war toll an der Loire, kleiner Sandstrand, Füße mal ins Wasser und dabei Bob Marley in den Ohren. Und da manche, im Alter manchmal vernünftiger werden, bin nach einer Stunde wieder zurück. Habe ein wenig gegessen und kein Mittagsschläfchen gemacht, weil ich dachte, wer weiß was heute Abend noch kommt, dann bin ich wenigstens schön müde. Stattdessen habe ich mal das Bad geputzt. Ein Mindestmaß an Hygiene sollte schon sein!
Gegen 13.00 h bin ich dann in die Stadt, die auch wieder eine Kathedrale hat, in dieser bestechen die Fenster. Ein paar Fotos sind im Anhang.
Sainte Bernadette Anschließend habe ich die heilige Bernadette besucht, die aufgebahrt im unverwesten Zustand, in einem Schneewittchen Sarg lag. Ich bin eine Weile geblieben.
Bernadette wurde 1844 in Lourdes geboren und war maßgeblich am Entstehen der heiligen Quelle in Lourdes mit verantwortlich. 1866 verließ Bernadette die Heimat um sich den Barmherzigen Schwestern in Nevers anzuschließen. Sie verstarb im Sainte Bernadette GlassargJahre 1879 an Knochentubakulose und wurde 1934 heilig gesprochen.
Die Loire-Nähe wurde durch die Konzentration der Schlösser bereits auf den Weg nach Nevers deutlich. Und auch innerhalb der Stadt, hat fast jedes Gebäude, dass mal einem Adligen gehört hat, wenigstens zwei Türmchen. Beidruckend, in diesem Sinne ist der Palais Ducal. Palast der Herzöge von Nevers, mit prächtiger Renaissance-Fassade.
Danach zur Post, mein postlagerndes Paket abholen, um mich danach Freude strahlend in ein Straßencafé zusetzten und eine eiskalte Cola zu trinken. Es hat geklappt. Ich hatte schon befürchtet, dass ich bei den von mir verunglimpften Post-Kiosk-Verkäuferinnen zu Kreuze kriechen müsste. Aber nein! Alles richtig gemacht. Und die die mir dabei in der Ferne geholfen haben erst recht. Um sie einmal namentlich zu nennen. Achim, Angela, Benita und Cyra, wobei die Reihenfolge dem Alphabet geschuldet ist und keiner Wertigkeit!
Jetzt müssen die reklamierten Schuhe zurück und die neuen eingelaufen werden. Oh weh, oh weh!

24. Juni

Tat gar nicht weh! Etwas steif natürlich, aber 17 km ohne Schuh - bzw. Fußprobleme. Der Tag, fing etwas widersprüchlich an. Ich hatte überhaupt keine Lust aufzubrechen, zumal ich noch die anderthalb Kilometer zur Post und wieder zurück musste. Und seit dem Erlebnis mit Dieter weiß ich, dass Herbergen bestimmt nicht die richtige Alternative für mich darstellen. Also doch Zelt!
Gestern bin ich alleine in der Herberge geblieben, dann sind Herbergen okay! Am Morgen habe ich zum ersten Mal WDR2 gehört. Kurz kam mir in den Sinn, ob es nicht besser wäre von dem Restgeld ein Ticket, Bretter für ein neues Bett und ein paar Küchengeräte auszugeben.
Der Herbergsvater kam, ob ich denn die Öffnungszeiten für die Post rausgekommen habe. Nein, aber jetzt, um halb zehn hat sie bestimmt geöffnet. Ich sagte ihm, dass ich zur Post gehe und den Rucksack danach abhole. Ich sagte ihm auch, dass ich jetzt ca. 900 km von meiner Stadt weg sei und derzeit eine Talsohle durchschreite. Nein, derzeit eine Talsohle durchschreite, kann ich nicht auf Französisch, ich hab es gezeigt. Und ich meine verstanden zu haben, dass er sagte, dass es auf einen Tag nicht ankäme. Draußen sprach er leise mit seiner Frau. Dabei braucht man bei mir nur schnell genug sprechen, damit ich nichts verstehe. Flüstern ist eher verräterisch. Anscheinend bin ich nicht mehr so sehr willkommen. Ich packe meinen Rucksack und die Herbergsmutter kommt um alle Kopfkissen mit einem neuen Bezug zu versehen. Ich schnalle mir meinen Rucksack auf den Rücken, Klemme mir das Packet unter den Arm und gehe. Manchmal braucht der Mensch auch einen Tritt in den Hintern.
Erinnert Ihr Euch an den deutschen Postbeamten? Der französische ist nicht besser, klingt nur anders. Ich mit meinen Schuhen zur Post. Ein Paket nach Deutschland bitte. Ich bekam einen großen Aufkleber zum Ausfüllen. Empfängeradresse, alles klar. Absender, meinen Namen. Mit Paket und Aufkleber zum Schalter. Absenderadresse! Ich habe keine Adresse und zeige auf meinen Rucksack. Deutliche Panik in den Augen der Frau und deutlicher Ärger in den meinen. Ja, aber... Vom Nachbarschalter wird das Wort Hotel gerufen. Kurzer Hoffnungsschimmer, den ich jäh zerstörte. Nix Hotel, das da ist meine Adresse und... Ein älter Herr, Typ Vorgesetzter unterbrach das ganze und sagte sie solle die Adresse des Postamtes drauf schreiben. Ich bedankte mich freundlich, nachdem ich gezahlt hatte und ging.
Vor der Post saß ein alter Zausel, lange dünne graue Haare, langer grauer Bart, keine Zähne und mit Gehwägelchen unterwegs. Er profitierte davon, dass ich Wiederholungen nicht dem Zufall zuschreiben. Vorgestern, als ich in Nevers ankam, stand er am Busbahnhof, gestern neben den Supermarkt und heute vor der Post. Also, mache ich ihm eine kleine Freude und gehe danach erst mal einen Petit Café trinken und als ich sah, dass es auch frisch gebrühten Tee gab, hab ich mir noch ein Kännchen frischen Schwarztee bestellt. Und als es dann gegen halb zwölf immer noch nicht gewittern wollte, es sah die ganze Zeit über extrem danach aus, bin ich mal los.
Und wie ich bereits sagte, war ich angenehm überrascht, wie meine Füße mit den neuen Schuhen harmonierten. Nach 17 km kam ich an eine viel befahrene Straße, suchte mir ein gutes Plätzchen, d.h.: Du wirst gut gesehen, es gab bereits vorher Gründe abzubremsen und ganz wichtig, dass hinter dir eine Möglichkeit ist, dass der willige Autofahrer auch halten kann. Diesen Idealplatz habe ich nach kurzer Zeit gefunden und bereits das vierte Fahrzeug hielt und ich bin zum nächsten Campingplatz gebracht worden.
Jetzt liege ich im Zelt, es grummelt und blitzt in der Ferne, aber so richtig entscheiden kann es sich noch nicht. Mal sehen ob ich morgen ein trockenes Zelt einpacken darf.

25. Juni

6.15 h ich sitze fest! Habe mir erst mal einen schönen Brennnesseltee gemacht. Warum um 6.15 h? Weil ich seit 5.00 h weiß, dass der Campingplatz neben einer Güterzugstrecke liegt und um 5.30 h die ersten Camper anfingen zu spülen. Ich selbst nutzte gegen 6.00 h die Gelegenheit, während einer Starkregenpause zur Toilette zu gehen.
Als ich wieder zum Zelt kam nieselte es nur noch leicht und ich dachte, och... Seit 6.15 h trommelt wieder der Regen auf das gut angespannte Zelt. Die Frühspüler haben den Zeltplatz verlassen.
Frühstück Gestern beim Einkaufen dachte ich noch, mir heute morgen frisches Brot zu holen. Zum Glück habe ich noch ein Päckchen Tuc und etwas Käse. Und zum Glück bin ich am 01. Mai mit latenten Übergewicht gestartet, was ich zur Zeit nicht mehr habe.
Acht Uhr, wenn ich richtig mitgezählt habe, sind nur noch die bekloppten Holländer und der bekloppte Deutsche auf dem Platz. Allerdings ist das hier auch nur ein Übernachtungszeltplatz. Nichts in der Nähe wozu es sich lohnt länger zu bleiben.
Ich habe mir etwas Datenroaming gegönnt um bei Wetter.de festzustellen, dass es stündlich trockener werden soll. Morgen und Übermorgen liegt die Regenwahrscheinlichkeit bei sage und schreibe 0,0%. Mal schauen wie ich das Zelt trocken bekomme.
11.30 h, seit 9.00 h hat es nicht mehr geregnet. Nachdem ich mich angezogen habe und dem Platzwart gesagt habe, dass ich wahrscheinlich noch eine Nacht dran hänge. Angezogen habe, habt ihr schon mal einen nicht Yoga praktizierenden 55-jährigen dabei beobachtet, wenn er sich in einem Einmannzelt komplett aus und wieder anzieht? Danach kannste direkt wieder duschen gehen. Aber ich habe es geschafft. War beim Becker, habe etwas für abends eingekauft, es gibt Ratatouille mit Brot und sitze jetzt in einer sehr WLAN-tauglichen Bar.
Die Sonne scheint! Also, ich habe bis 15.00 h Zeit mich zu entscheiden, zu bleiben oder zu gehen. Die Zeltaußenplane wird trocken sein. Die Wäsche, die ich gestern vorwitzig gewaschen und im Waschbereich aufgehangen habe auch?
Kirchenfenster Kathedrale Nevers 1Kirchenfenster Kathedrale Nevers 2Kirchenfenster Kathedrale Nevers 3Kirchenfenster Kathedrale Nevers 4