Mein Design, dein Design, Design ist für uns alle da!

Peter Su Markus

Im Zweifel ist doch eh alles nur die Kopie einer Kopie und es bleibt ein Schulterzucken! Ist das so? Es gibt Menschen, die die Meinung vertreten, dass sich alles und jedes in einer Wellenbewegung befindet und so ein beständiges auf und ab erlebt. Für die Schrauber unter den Bikern die diese Meinung teilen, bedeutet dies auf die Arbeit und das Vergnügen in und außerhalb der Garage bezogen, dass man zwei klar voneinander getrennte Jahreszeiten kennt.

Die Jahreszeit in der geschraubt wird und die Jahreszeit in der man das geschraubte bewegt und es damit ob gewollt oder ungewollt auch präsentiert. Das war so, das ist so und wenn es nach den ungeschriebenen Regeln des Garagenschraubens geht, wird daran in absehbarer Zeit auch kaum etwas ändern.

Welche dieser Zeiten für die Aufwärtsbewegung und welche für die Abwärtsbewegung steht, mag dabei jeder für sich selbst entscheiden. Wie auch immer lässt es sich entspannter Arbeiten wenn sich die Bewegung egal in welche Richtung geordnet vollzieht.  Zumindest in unseren Breitengraden scheinen die maßgeblichen Jahreszeiten diesbezüglich von Zeit zu Zeit anderer Meinung zu sein. Nachdem der Sommer in diesem Jahr offensichtlich bereits Ende August die Nase von sich selber voll hatte und damit dem Heer der Garagenschrauber unerwartet früh mit herbstlichen Temperaturen den Garagenblues in die Knochen trieb, galt es nach Überwindung der ersten Schockstarre geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen und sich in Gedanken schon einmal mit den Inhalten bevorstehender Schrauberabende in der heimischen Garage zu beschäftigen. Während die einen, die bei sommerlichen Treffen gesammelten Eindrücke in Gedanken Revue passieren lassen, stützen sich andere lieber auf die Möglichkeiten die ihnen in zunehmendem Maße über die Kamerafunktion ihrer Handys geboten werden und mit der sie sich in kluger Vorraussicht auf die bevorstehende Zeit des Schraubens die eine oder andere gute Idee zur weiteren Verwendung in den Speicher gezogen haben. So geht kaum noch etwas von dem, was zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal als nützlich erweisen könnte in den unendlichen Tiefen eines im Alter nachlassenden Erinnerungsvermögens verloren.

An Stellen, an denen man sich in der Vergangenheit darüber geärgert hat, die eine oder andere Idee nicht sofort dokumentiert zu haben, besteht heute eher das Problem die Flut an Informationen zielgerichtet zu verwalten. Bei einer kaum zu überschauenden Flut an im Verlaufe einer guten Saison gesammelter Informationen, hat es sich als nützlich erwiesen sich frühzeitig einen Ordner mit der Überschrift IDEEN einzurichten, um dort all das abzulegen, auf das man selber möglicherweise nie gekommen wäre.

Dass dabei das sprichwörtliche Rad in vielen Bereichen nicht neu erfunden werden kann, dürfte längst kein Geheimnis mehr sein und so beginnen sich auch mögliche Formen und Herstellungsmaterialen der für den Bau eines Motorrads benötigten Zubehörteile zu wiederholen. Dies gilt besonders dann, wenn diese Teile in ihrer Form auch der ihnen zugewiesenen Funktion folgen sollen. Fern eines Strassen tauglichen Themen Motorrades a la O.C.C. dürfte zum Beispiel ein Lenker immer als ein solcher zu erkennen sein. Eine mehr oder weniger in Form gebrachte runde Stange am vorderen Ende eines Motorrades, die der Lenkung dient.

Während man in Deutschland im Bereich einer kreativen Entfaltung auf Grund der sehr regressiven Zulassungsvorschriften in Bezug auf Materialfestigkeit und Verkehrsicherheit nur sehr eingeschränkt agieren kann. Scheint man in punkto Kreativität in Ländern wie den USA oder Japan, in denen diese Vorschriften teilweise weitaus entspannter gehandhabt werden, aus dem Vollen schöpfen zu können. Ohne den Pfeil des lästigen Abnahmegedankens im Kopf, kann man dort in Richtungen denken, auf die man in unseren Breiten, den genannten Einschränkungen folgend selten kommen wird. Im günstigsten Falle landet das Ganze dann im www. und tritt dort von einer Welle aus Likes und Teilungen getragen, seine Reise um die Welt an. Den Vorteil, den dieser kaum zu kontrollierende Selbstbedienungsladen an Bildern, Ideen und Informationen bietet, weiß neben den professionellen Herstellern von Zubehörteilen auch das Heer der Garagenschrauber in der Umsetzung eigener Vorstellungen zu nutzen. Die Frage, wem das Recht an einer Idee zukommt, die ihre Verbreitung über das Internet oder sonstigem Wege findet, wird sich dabei den wenigsten stellen. Warum auch? Falls in der Verbreitung einer Idee der Name des ursprünglichen Ideengebers überhaupt eine Erwähnung findet, gehört dieser erfahrungsgemäß zu den ersten Informationsbestandteilen, die auf einer solchen Reise abhanden kommen. Hinweise auf einen solchen Verlust werden oft als Erbsenzählerei abgetan, denn wenn man es genau nimmt, dann sollte der private Schrauber doch stolz auf die Kopie und/oder Weitergabe seiner  Idee und der damit verbundenen Anerkennung seiner handwerklichen Fähigkeiten sein.

Spricht man einen dieser Schrauber während eines Treffens auf seine Arbeit und die Besonderheiten in Idee und Ausführung an, dann ist es tatsächlich oft so, dass die meisten gerne, offen und ausführlich Auskunft geben. Und selbst dem Wunsch die eine oder andere Idee in Rahmen eines eigenen Projektes zu verwenden, stehen viele offen gegenüber. Und wenn das auf einen Zutrifft, wird dies bei anderen wohl nicht anders sein. Außerdem könnte man sich ja melden, wenn einem etwas nicht passt. Diese Form der Argumentation kann man getrost der Schublade des Schwachsinns zuordnen. Tatsächlich bietet sich kaum einem privaten Schrauber die Möglichkeit sich der Nutzung seiner Idee noch in den Weg zu stellen, sobald sie ihre Reise in die Öffentlichkeit angetreten hat.

Ein Motorrad das der Öffentlichkeit präsentiert wird, wird auch mit all seinen möglicherweise innovativen Problemlösungen präsentiert und da sich unter den Garagenschraubern einige mit ähnlichen Problemstellungen herumschlagen, wird die eine oder andere Lösung zur Kopie animieren und je innovativer eine Lösung daher kommt, umso schneller wird sie bei der heute gebotenen Informationsvielfalt um die Welt getragen und kopiert.
Auf der anderen Seite wird es einen Schrauber der seine Ideen ausschließlich in Bereichen seiner eigenen Projekte einsetzt und vieles als eine einmalige Projekt bezogene Arbeit betrachtet, möglicherweise tatsächlich kaum interessieren, ob sich ein anderer seiner Idee bedient. Möglicherweise wird er es auch niemals erfahren und doch stellt sich aus einer Anfangs noch diffusen Empfindung heraus die Frage, wie es überhaupt mit dem Recht an den Ideen anderer Leute aussieht. Und das ist auch gut so. Denn selbst wenn es die ganz Schlauen in der Szene als blauäugig, naiv und dumm abtun werden, hat dieses Gefühl etwas mit einem Mangel an Respekt zu tun.
Gerade im Umfeld der Hinterhofschrauber, die sich gerne als den Untergrund oder die Basis der Custom Motorrad Szene bezeichnen, wird dem einen oder anderen der Begriff Respekt schon einmal begegnet sein, auch wenn man sich, aus der so genannten Ellbogengesellschaft kommend noch am Rande dieses Untergrundes befindet und selber vielleicht noch nicht viel mit den Inhalten des Respekts anzufangen weiß, hat man ihn hier und da in Form einer Tätowierung, auf Plakaten oder Aufklebern gesehen und tatsächlich scheint der Begriff Respekt neben dem Begriff Bruderschaft in diesem Untergrund eine wichtige Position im gegenseitigen Miteinander  zu besetzen. Schaut man jedoch hinter die Kulisse des Scheins, dann könnte es sich bei diesen Begriffen jedoch auch um etwas Handeln, das im Untergrund wieder besseren Wissens gerne der eigenen Befindlichkeit angepasst wird und damit sehr dehnbar daherkommt. Steht hinter einer Idee nicht der Name einer Szenegröße und wird diese Idee nicht umgehend fest mit diesem Namen verbunden, scheint jede Idee jedem zur Kopie freigestellt. Nun soll dieser Texte nicht die ewige Frage zum Für und Wieder des Urheber- oder Geschmacksmusterrechts aufwerfen. Wer sich über deren Grundregeln informieren will, der sollte sich einfach damit beschäftigen. An dieser Stelle soll es vielmehr darum gehen, wie jeder einzelne Garagenschrauber mit der Idee eines anderen und dem damit verbundenen Respekt und der gerne beschworenen Bruderschaft umgeht. Mit welchen Gefühlen und möglicherweise auch Selbstverständlichkeit er die Ideen anderer nutzt und dies vor sich selbst und auch vor anderen zu rechtfertigten weiß.

Den Anstoß zu diesem Text gab eine, während eines sommerlichen Treffens geführte Diskussion um einen Lenker der auf der einen Seite seit 2012 dem Design eines deutschen  Motorradbauers entsprechend in Deutschland vertrieben wird und auf der anderen Seite in einem nahezu identischen Design bereits seit 2008 in der amerikanischen Bikeszene bewegt wird. Nun könnte es tatsächlich so sein, das an dieser Stelle zwei Motorradbauer in der Frage nach dem für sie richtigen Lenker unabhängig voneinander zu einem nahezu identischen Ergebnis gekommen sind. Wie bereits geschrieben, kann das Rad nicht neu erfunden werden und damit würde es keine Rolle spielen, das eben dieser Lenker, der in seinem amerikanischen Ursprung auf Arie van Schyndel zurückzuführen ist und von diesem bereits während der Kustom Kulture 2009 in Bottrop und in den Jahren 2008 und 2009 im Rahmen der Custombikemesse am Dickies Stand in Bad Salzuflen präsentiert wurde und das nicht nur als Lenker am Bike, sondern auch als Bestandteil seiner Verkaufspalette. Auf die Möglichkeit eines Zufalls angesprochen, wusste sich der deutsche Designer keinen Reim zu machen. Den Unterschied zu seinem Lenkerdesign wusste er dagegen sehr wohl zu erklären. Sein Lenker kommt mit TÜV, wird aus einem deutlich belastbareren Material gefertigt und würde sich damit bereits in aller Deutlichkeit vom Lenker des Amerikaners unterscheiden.

Nun, die Ernsthaftigkeit des Vortrags soll an dieser Stelle nicht in Zweifel gezogen werden. Wer dies trotzdem tun möchte, dem könnte die hier vorgebrachte Argumentation jedoch als Beleg dafür dienen, dass man seinen Anteil an einer Idee lediglich glaubwürdig Transportieren muss, um eine Idee tatsächlich zu seiner eigenen Idee zu machen. Die Profis unter den Kopierern ziehen in ihrer Argumentation die Möglichkeit eines Zufalls, der bei zunehmender Ähnlichkeit zwischen dem Original und seiner Kopie sowieso eher der Kategorie - echt Dreist - zuzuordnen ist, längst nicht mehr in Erwägung. Sie sehen die Schuld, von der aus ihrer Sicht generell nicht gesprochen werden kann, wenn überhaupt auf der Seite des Ideengebers, der mit seiner Idee Begehrlichkeiten in der Custom Szene weckt und diese dann nicht mit der Lieferung der entsprechenden Teile zu befriedigen weiß. So habe man zum Beispiel lange versucht ein Teil X beim Hersteller Y zu bestellen. Und erst als klar wurde das Y nicht in der Lage war das Teil zu liefern, habe man sich aus der Not heraus, also quasi gezwungener Maßen dazu genötigt gesehen, das Teil selber zu Produzieren und da der dabei geleistete Aufwand bei einem einzelnen Teil nicht lohnt, ist der Schritt zur Serie auch wenn er mit Blick auf den Respekt vor der Arbeit eines Anderen schwer fällt, kaum zu vermeiden. Na das ist doch mal eine klar nachvollziehbare Argumentation. Wer sich dermaßen unter Druck stehend in die Not des Handelns gezwungen sieht, dem kann man doch wohl kaum  unlautere Gedanken in Richtung kommerziellen Zugewinns unterstellen. Es sei den man ist ein Erbsenzähler und wer will das in einer Welt, in der der gegenseitig empfundene Respekt und das Gefühl einer Bruderschaft alles und der Gedanke an Kohle nichts ist, schon sein.

In diesem Sinne, Keep on Ridin´ Easy
 
Text: Gasolin Alley Garage