BAAKK - Swapmeet - Kunstausstellung - Museum - Archiv für Chopper

Frank Bick
Samstag, 13. Dezember 2014
Das absolut wichtigste Merkmal eines Choppers war es ureinst, sein eigenes politisches, künstlerisches und soziales Denken und Sein in dem eigenen Fahrzeug zum Ausdruck zu bringen. Der Chopperfahrer war daher aktiv und kreativ, gebildet, interessiert an Kunst, Kultur und Gesellschaft. Er war unterwegs, redete mit Gleichgesinnten, sammelte Fakten und Eindrücke, las Geschichten, schaute Bilder und Filme. Dann wurden Teile und Handwerker gesucht, abgeschraubt, geflext, drangeschraubt, lackiert und schlussendlich gefahren.

Die erste Frage wäre also im Idealfall: Wer bin ich? Denn die Antwort auf diese Frage bestimmt das was entstehen wird, den Style, die Optik, die Aussage. Auf diesem Weg können Liebhaber und Kenner der Szene behilflich sein. Und genau so eine Anlaufstelle findet man mitten im Ruhrgebiet:

Peter ist Baujahr 1962 und wuchs in Singen am Hohentwiel auf, in der Nähe vom Bodensee. 400m über dem Meeresspiegel. In dieser Gegend fuhr man damals noch gern nach ein paar Bier oder ohne Führerschein über die hügeligen Landstraßen. Der Landpolizist kannte alle mit Vornamen und Nachnamen. Peters Vater war Kfz-Schlosser, Benzin wurde also schon im Zellgedächtnis weitergegeben. Er hatte sein Abitur bereits in der Tasche als in Dortmund beim Konzert von ZZ Top der Song Gimme all your lovin für ihn zur Wahrheit wurde. Er lernte seine Ex-Frau kennen und verlagerte sein Dasein in den Ruhrpott nach Dortmund. Damit er schnell Geld verdienen konnte machte er eine Ausbildung zum Glaser und machte sich in diesem Metier selbstständig. 15 Jahre hielt er durch. Natürlich wurde in dieser Zeit auch Motorrad gefahren, die erste war eine Yamaha SR 500, die mit AME Teilen zum Chopper mit Sargtank umgebaut wurde, was auch sonst. Umgebaut wurde im Keller, es war wohl ein hartes Stück Arbeit die SR dort hineinzukriegen.

Er fuhr mit dem Chopper in den Hohen Norden, nach Finnland und Schweden. Dort erfuhr er am eigenen Leib was Community damals noch bedeutete, nicht dieses oberflächliche Brotherhood Gefasel was einem allenthalben begegnet, sondern noch die echten Werte.

"Als ich in Finnland einen Tankdenkel verloren hatte, hielt ein Honda Fahrer an, drehte unaufgefordert seinen Tankdeckel raus, stopfte eine geringelte Socke aus einer Tasche auf dem Gepäckträger in seinen Tank und gab mir lächelnd seinen Tankdeckel. Er passte, der Kerl sagte etwas auf finnisch und fuhr weiter."

Solche Erlebnisse haben viele Biker zu berichten. In dieser Zeit war der eine auf den anderen angewiesen und konnte sich in die Problematik des anderen hineindenken. Peters Firma lief nicht so gut, die Ehe war auch schon ein paar Jahre Geschichte und er verdingte sich die nächsten 15 Jahre als Messebauer. Er sattelte um auf Harley-Davidson Sportster, später auf ein Servicar.

In diesen 30 Jahren sammelte er Teile, Magazine, Bücher Bilder, Kunst, Fotos zum Thema Chopper. Und jede Menge Erfahrung und Wissen sammelte sich auch an. Vor 3 Jahren etwa lernte er Laurie kennen. Die US-Amerikanische Lehrerin und Tochter eines Halfter Produzenten teilte seine Leidenschaft für Kunst und Kultur, Kunsthandwerk und Chopper. Sie bestärkte ihn darin nun endlich sein Geld wieder mit seiner großen Leidenschaft zu verdingen, den Choppern. Und so kam es wie es kommen musste, in Recklinghausen, auf dem Hinterhof eines Hauses in einer Wohnsiedlung entstand ein neues Geschäft, die Bike and Art Kustom Kitchen. Die Eröffnung war am 29.11.2014.

Wer einen Chopperumbau plant sollte den Anfang genau hier machen, in der Bike and Art Kustom Kitchen. Es gibt jede Menge inspirierender Parts zu sehen und zu kaufen. Alles Originale. Genau wie die Kunstwerke, Zeitungen, Fotos und so weiter. Zudem ist ein Gespräch mit Peter ein Schritt in die richtige Richtung, er hat sich mit dem Thema in der Tiefe befasst, vom ernsten Samurai Bike bis hin zum poppigen American Style.

Wie bei vielen Hobbys ist die Bandbreite des Hintergrunds auch beim Chopperbau groß, die Diskussion um wahre Herkunft, Geschichte und Absicht des Umbaus unendlich. Was ist schön? Muss es überhaupt fahren? In der ernsten japanischen Idee des Chopperbaus die auf Personen wie Shinya Kimura zurückgeht (siehe Buch oben) sollte ein Fahrzeug schon fahrbereit und robust sein. Man stelle sich ein Samurai Schwert vor mit dem man nicht kämpfen kann. An der genau anderen Seite steht der moderne US-Amerikanische Traum vom Easy Rider, der in den Jahrzehnten bergeweise Kitsch und Glamour ansammelte. Vom politischen Statement der Freiheit und dem Loslösen von der Spießigkeit gelangte man zu Monstern, Ratten und Zoombies, Totenköpfe und Adler bestimmen das Bild. Hate and Love oder ACAB steht auf den Händen der modernen Chopperfahrer mit US-Ausrichtung. Während Shinya Kimura mit Lets enjoy your life signiert. Selbst in einer solch kleinen Sparte wie dem Chopperbau spiegeln sich also gesellschaftliche Umstände wider. Wir können sehen wer Du bist, zeige uns Deinen Chopper.

Anhand von 50 Tanks, 3.000 Teilen, 350 Kunstoriginalen kann der aufmerksame Betrachter in der Ausstellung und dem Verkauf in Recklinghausen genau diese Dinge sehen, im Original erleben.

Das besondere an der Ausstellung ist die Art und Weise wie präsentiert wird. Sorgfältigst mit viel Geschmack und Verstand wurde hier von Laurie und Peter eine Zusammenstellung gewählt die weit über die Präsentation dessen hinaus geht wie es in Partsshop üblich ist. Jedes Fach in Vitrinen und Regalen erzählt eine eigene kleine Geschichte, über jedes Arrangement könnte man philosophieren wie über die Kuration in einem Museum. Die Mischung von Kunst und Parts, Kunsthandwerk, Archiv und Museum ist sicher nicht zufällig, denn Peter und Laurie haben von Haus aus sicher eins gemeinsam, den direkten Draht zu Handwerk, Bildung und Kunst. Jede Ecke ist eine eigene Komposition. Mit Aussage. Man traut sich eigentlich gar nicht ein Teil zu kaufen, es gehört einfach immer alles zusammen.

Besonders viele Grafiken von Ben Mitchell DRAG DADDY STUDIOS sind derzeit in der BAAKK zu bekommen. Der Künstler aus den USA würde gern in 2015 zur Kustom Kulture Veranstaltung kommen, kann sich aber die Anreise nicht leisten. Nicht nur das Peter und Laurie ihn hier versorgen werden, sie verkaufen auch derzeit seine Kunstwerke in Recklinghausen, der Gewinn wird ins Flugticket gesteckt. Wer also ein uriges Geschenk sucht, sollte zuschlagen.

In Sachen Literatur und Kunst ist in der BAAKK nicht nur einiges zu sehen, auch zu lernen. Viele kennen zum Beispiel das Logo von Lowbrow Customs, aber wer kennt den Grafiker dahinter, George Webber? Und zu allerletzt, Kunst aus dem Glashandwerk. Das darf natürlich auch nicht fehlen, wenn der Betreiber Glaser ist.
Links in der Übersicht:
BAAKK Bike and Art Kustom Kitchen: http://www.baakk.com
Ben Mitchell https://www.facebook.com/DragDaddyStudios
Fotos und Text Frank Bick: http://www.regiosurf.net